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Bankräuber sterben aus – Strukturwandel in krimineller Szene

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Nov 15, 2021 ,
Ein gesprengter Geldautomat ist heute eher die Seltenheit - das Geschäft lohnt sich für die Täter nicht mehr. Die Aufklärungsquoten sind zu hoch und somit das Risiko für Verbrecher. (Archivbild) (Urheber/Quelle/Verbreiter: Matthias Balk/dpa)

Bankräuber sind in Deutschland nahezu ausgestorben: Die Zahl der Überfälle auf Banken, Sparkassen und auch Postfilialen ist in den vergangenen drei Jahrzehnten um 95 Prozent gesunken.

Im Jahr 1993 zählte das Bundeskriminalamt (BKA) in Wiesbaden noch 1623 Überfälle auf Geldinstitute und Poststellen, im vergangenen Jahr waren es lediglich 80, wie die Zeitreihen der Behörde zeigen.

2001 wurde die statistische Erfassung geändert, seither werden anstelle der Poststellen Überfälle auf Postfilialen und -agenturen gezählt, doch am Bild des starken Rückgangs ändert das nichts. Sowohl Polizei als auch Banken und Versicherer sehen mehrere Ursachen für das Phänomen.

1995 gab es noch fast 70.000 Bankfilialen in Deutschland, Ende vergangenen Jahres waren es laut Bundesbank noch gut 24.000. Bankräuber haben heute also weniger Auswahl als früher. Technischer Fortschritt und die abnehmende Bedeutung des Bargelds spielen ebenfalls eine Rolle: «Dazu gehört, dass Zahlgeschäfte heute vielfach automatisiert sind und die Zunahme der unbaren Bezahlverfahren zur Reduktion des Kassengeschäftes in der Filiale führt», sagt eine Sprecherin des Deutschen Sparkassen- und Giroverbands (DSGV) in Berlin. Außerdem haben die Banken die Sicherheitsvorkehrungen stark verbessert.

Risiko für Bankräuber sehr hoch

So ist das Risiko für Bankräuber außerordentlich hoch, die Polizei klärte 2020 fast 80 Prozent der Überfälle auf, 2019 sogar über 90 Prozent. «Führen zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen wie beispielsweise geringe Bargeldbestände zu entsprechend niedrigen Beuteerwartungen, werden Raubdelikte in der Regel unter Risiko-Nutzen-Gesichtspunkten zu unattraktiven Straftaten», erläutert eine Sprecherin des BKA.

Konjunktur unter Verbrechern haben stattdessen Geldautomatensprengungen und Cyberkriminalität. Letztere bietet aus Tätersicht auch den großen Vorteil, dass es keinen physischen Tatort gibt und Hackerangriffe fern der Heimat in jedem Land der Welt gestartet werden können.

«Die Gefahr, tatsächlich gefasst zu werden, ist im Internet häufig wesentlich geringer als bei einem Banküberfall», sagt Rüdiger Kirsch, Betrugsexperte bei dem zur Allianz gehörenden Kreditversicherer Euler Hermes. «Die Cyberkriminellen müssen durch die vielen Möglichkeiten, die das Internet bietet, physisch keine Landesgrenze mehr überschreiten, sie müssen nicht einmal das Haus verlassen, um im Ausland im Netz eine Straftat zu begehen.»

Bankraub heute? – «Schön blöd»

Fazit: «Wer als Krimineller heute noch eine Bank überfällt oder einen Geldautomaten sprengt, ist eigentlich schön blöd», sagt Kirsch. «Denn er geht ein unnötiges Risiko ein, für eine in der Regel viel kleinere Beute.»

Täter, die Geldautomaten sprengen, sind mutmaßlich weniger gebildet als Hacker und Cyberkriminelle. Doch im Vergleich zum Banküberfall ist auch der Angriff auf den Automaten aus Tätersicht weniger riskant: Gesprengt wird ganz überwiegend in der Nacht ohne Zeugen in der Nähe, außerdem sind die Strafen für Raubüberfälle höher.

Dementsprechend hat die Zahl der Geldautomatensprengungen stark zugenommen. Das BKA berichtete im vorigen Jahr von bundesweit 414 Fällen, der höchsten Zahl seit Beginn der statistischen Erfassung im Jahr 2005.

«Bei rund 40 Prozent der Angriffe auf Bankautomaten verwenden die Kriminellen inzwischen Festsprengstoff», sagt eine Sprecherin der
R+V-Versicherung, bei der viele Volks- und Raiffeisenbanken versichert sind. «Bis vor zwei Jahren wurde bei den Sprengungen noch überwiegend Gas eingesetzt.» Hatten die Täter genügend Gas in den Automaten geleitet, wurde gezündet.

Doch sind viele Geldautomaten inzwischen technisch so raffiniert, dass die Maschinen explosives Gas neutralisieren und Explosionen verhindern können. Festsprengstoff richtet jedoch immmense Schäden an, ganz zu schweigen von der Gefahr für Leib und Leben der Anwohner.

Die R+V empfiehlt Banken deswegen mittlerweile eine bunkerähnliche Lösung: freistehende Pavillons aus Stahlbeton. «Die ringförmigen Gebilde bestehen aus bis zu 15 Zentimeter starkem Stahlbeton und bringen zehn Tonnen auf die Waage», erläutert eine Sprecherin. «Mit herkömmlichen Sprengmitteln erreicht man da gar nichts.»

Finanzkriminalität im Internet hat Konjunktur

Noch viel größere Konjunktur hat die Finanzkriminalität im Internet. Eine gängige Masche sind Phishing-Mails, mit denen Cyberkriminelle versuchen, Kontodaten von leichtgläubigen Bankkunden zu erschwindeln, um anschließend deren Konten leerzuräumen.

Hacker greifen Behörden und Krankenhäuser ebenso an wie Banken, doch ist der Finanzsektor naturgemäß ein beliebtes Ziel: Euler Hermes hat 7654 Schadenmeldungen aus der Finanzbranche der Jahre 2015 bis 2021 in Höhe von insgesammt 870 Millionen Euro ausgewertet. Cybervorfälle lagen dabei mit rund 12 Prozent der Schadensumme an erster Stelle.

Und die kriminelle Szene hat gelernt, dass man Geldautomaten nicht nur sprengen kann: Mittlerweile gibt es auch das ferngesteuerte «Jackpotting». «Dabei übernehmen Kriminelle über Netzwerkserver die Kontrolle über Geldautomaten», heißt es bei der AGCS.

Von Carsten Hoefer, dpa