In der Diskussion um die Abhängigkeit von russischem Erdgas sieht die deutsche Heizungsindustrie verschiedene Möglichkeiten für die privaten Gaskunden, den eigenen Bedarf dauerhaft zu reduzieren oder umzustellen.
«Bis dato gibt es laut der Gaswirtschaft kein Versorgungsproblem», sagte der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Deutschen Heizungsindustrie, Markus Staudt, der Deutschen Presse-Agentur. Das Problem sei aktuell der Preisanstieg bei Erdgas. Aber auch andere Energieträger wie Öl oder Strom seien teurer geworden.
«Warten wir noch?»
Die auch in anderen Bereichen steigenden Preise gingen nicht spurlos am Verbraucher vorüber. «Wir kriegen Rückmeldungen aus dem Markt, dass die Leute mehr Fragen haben und überlegen: „Warten wir noch?“ oder sagen: „Ich weiß nicht genau“», sagte Staudt. Deshalb müsse man beobachten, ob sich daraus eine Kaufzurückhaltung entwickeln könnte und wichtige Einsparpotenziale weiter ungenutzt bleiben. Dabei sei die Modernisierung des Heizungsbestandes in Deutschland nach jahrzehntelangem Investitionsstau gerade erst in Gang gekommen.
«In den letzten beiden Jahren hat der deutsche Markt erstmals seit über 20 Jahren ein signifikantes Wachstum hingelegt», sagte Staudt. Statt 600.000 bis 700.000 neue Wärmeerzeuger pro Jahr im langjährigen Mittel wurden nach den Daten des Verbandes 2021 erstmals fast 930.000 neue Wärmeerzeuger installiert. Das seien 10 Prozent mehr verkaufte neue Geräte für die Raumwärme und warmes Wasser in Deutschland als im Jahr zuvor. Wesentlich dazu beigetragen habe die seit 2020 ausgeweitete staatliche Förderung rund um das Thema Wärme.
Energetische Standards auch wichtig
Prozentual am stärksten wuchs im vergangenen Jahr nach Verbandsdaten der Absatz der Holzzentralheizungen mit Pellets (plus 51 Prozent auf 53.000 Einheiten). Bei Wärmepumpen zog die Nachfrage weiter an (plus 28 Prozent auf 154.000 Geräte). Den mit Abstand größten Anteil an der Modernisierung des Heizungsbestandes haben nach Verbandsangaben die Gasbrennwertheizungen mit 650.000 neuen Geräten, die in aller Regel ohne eine staatliche Förderung gekauft und installiert würden.
Neben dem reinen Austausch alt gegen neu gewinne die Kombination von Gasheizung mit Wärmepumpe an Bedeutung. Wenn es besonders kalt sei, schalte sich der Gaskessel zu, erläuterte der Hauptgeschäftsführer. Für einen Komplettumstieg von Gas auf Wärmepumpe sollte das Gebäude einem gewissen energetischen Standard entsprechen. «Technisch kann ich eine Wärmepumpe in fast jedes Gebäude einbauen. Die Frage ist dann immer, ob sich das wirtschaftlich trägt», so Staudt.
Im Neubau lohne sich die Wärmepumpe auf jeden Fall. Auch die Kombination Gas- und Holzheizung nehme zu. Das gelte auch für Photovoltaikanlagen in Kombination mit Stromspeicher und Wärmepumpe sowie für Systeme der Wohnraumlüftung mit Wärmerückgewinnung. Das Einsparpotenzial durch die Digitalisierung auf Basis von Energiemanagementsystemen werde nach wie vor unterschätzt.
H2-ready-Gasgeräte für Wasserstoffeinsatz
«Erstens, ich kann effizienter heizen und weniger verbrauchen. Zweitens, ich kann Alternativen zum fossilen Gas einsetzen», betonte Staudt. Er hält den Einsatz von deutlich mehr Biogas für möglich. «Sie können heute jede Gasheizung mit 100 Prozent Biogas beheizen», sagte der Verbandsvertreter. Bisher werde Biogas meist verstromt oder von Mineralölkonzernen für die eigene Ökobilanz verwendet. Wie bei Öko-Strom gehe es darum, dass eine Menge ins Gesamtnetz eingespeist werde, die entsprechend viel Erdgas in der Gesamtbilanz ersetze.
Der Wärmemarkt könnte zudem Wasserstoff zum Durchbruch verhelfen. Die Heizungsbranche biete H2-ready-Gasgeräte an, die für einen möglichen stärkeren Wasserstoffeinsatz geeignet seien. Nach Ansicht von Staudt missachtet die Politik dieses Potenzial für einen «Markthochlauf» von Wasserstoff derzeit noch, der in vielen Sektoren benötigt werde.
Das Ziel der Ampel-Koalition, ab 2025 solle jede neu eingebaute Heizung auf Basis von 65 Prozent erneuerbarer Energien betrieben werden, stelle je nach Auslegung eine enorme Herausforderung für Verbraucher, Handwerk und Industrie dar. Die «Wärmewende» müsse bezahlbar und praktikabel bleiben und dafür seien alle technologischen Lösungen auf Basis eines breiten Energiemixes erforderlich, unterstrich Staudt.
Auf einer Konferenz in Berlin wollen Vertreter von Heizungsindustrie, Handwerk und Großhandel mit Vertreten der Bundespolitik und Experten am Mittwoch diskutieren, wie die Energiewende im Wärmesektor gelingen kann.