• Fr. Nov 22nd, 2024

Der Aufschwung lässt auf sich warten

Altmaier steht seit längerem in der Kritik von Wirtschaftsverbänden. Sie werfen ihm eine schleppende Umsetzung staatlicher Finanzhilfen für Unternehmen und zu viel Bürokratie vor. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Michele Tantussi/Reuters-Pool/dpa)

Der Weg aus der schweren Corona-Wirtschaftskrise droht mühsamer zu werden und länger zu dauern. Der Konjunkturaufschwung in Deutschland werde in diesem Jahr weniger Dynamik haben als erhofft. Das sagte Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) in Berlin.

Die Bundesregierung schraubte ihre Wachstumsprognose herunter. Finanzminister Olaf Scholz (SPD) sicherte Firmen und Beschäftigten weitere Unterstützung zur Bewältigung der Krise zu.

Altmaier sprach bei der Vorstellung des Jahreswirtschaftsberichts von einem gespaltenen Konjunktur-Bild. Während sich die Industrie – die vor allem im Export stark ist – weiter robust zeige, sei der Dienstleistungssektor vor dem Hintergrund des Lockdowns stark betroffen. Zwar flachten die Corona-Infektionszahlen ab. Die Lage sei aber weiter ernst, die Gefahr der Virus-Mutanten nicht ausgestanden.

Vor diesem Hintergrund senkte die Bundesregierung ihre Konjunkturerwartungen für 2021. Nach einem Einbruch der Wirtschaftsleistung im vergangenen Jahr um 5,0 Prozent rechnet die Regierung mit einem Wachstum des Bruttoinlandsprodukts um 3,0 Prozent. Das Niveau der Wirtschaftsleistung vor der Krise dürfte erst zur Mitte des Jahres 2022 wieder erreicht werden.

In seiner Ende Oktober vorgelegten Herbstprognose hatte Altmaier für 2021 noch mit einem Anstieg des Bruttoinlandsprodukts um 4,4 Prozent gerechnet. Damals hieß es, das Vorkrisenniveau werde frühestens zum Jahreswechsel 2021/2022 wieder erreicht werden.

Angesichts hoher Infektionszahlen hatten Bund und Länder mit Wirkung ab November einschneidende Maßnahmen beschlossen, etwa die Schließung der Gastronomie sowie von Einzelhandelsgeschäften.

Der Lockdown habe eine erhebliche Verlangsamung der Konjunkturdynamik bewirkt, heißt es im Bericht. Es sei davon auszugehen, dass die Wirtschaftsleistung im ersten Quartal noch deutlich von der Pandemie beeinträchtigt werde. Weiter heißt es: «Im weiteren Verlauf nach Stabilisierung der pandemischen Lage durch die Impfung größerer Bevölkerungsgruppen und der Rücknahme der Einschränkungen des öffentlichen Lebens dürfte die Konjunktur wieder Fahrt aufnehmen.»

Aus Sicht von Altmaier steht Deutschland im internationalen Vergleich gut da. Es müsse alles dafür getan werden, damit sich der Aufschwung verstetige. Er sprach sich erneut dafür aus, die Sozialabgaben zu stabilisieren und Firmen bei Bürokratie zu entlasten. Der Minister verwies darauf, dass es nach knapp einem Jahr der Pandemie gelungen sei, die Substanz der Volkswirtschaft im Kern zu sichern und die übergroße Mehrheit der Arbeitsplätze und Unternehmen zu erhalten.

Er wisse, das viele Firmen mit Ungeduld darauf warteten, Hilfen zu bekommen, sagte Altmaier. Von den November- und Dezemberberhilfen seien Milliarden an Abschlagszahlungen ausgezahlt worden. Altmaier machte mit Blick auf einen möglichen Missbrauch aber auch deutlich, dass der Bund eine Verantwortung gegenüber den Steuerzahlern habe.

Der Wirtschaftsminister steht seit längerem in der Kritik von Verbänden. Sie werfen ihm eine schleppende Umsetzung der staatlichen Milliardenhilfen für Unternehmen vor und zu viel Bürokratie. Die Bundesregierung hatte Nachbesserungen angekündigt.

Handwerkspräsident Hans Peter Wollseifer sagte, die pandemiebedingte wirtschaftliche Talsohle sei noch lange nicht durchschritten. Bislang hätten zu wenige Betriebe, die von der Pandemie stark betroffen sind, die angekündigten Hilfsgelder erhalten.

Finanzminister Scholz betonte: «Ich habe immer klar gemacht: Wir tun alles, was notwendig ist, um dafür zu sorgen, dass Beschäftigte und Unternehmen gut durch die Pandemie kommen. Das gilt auch weiterhin.» Nach seinen Worten «müssen wir alle an einem Strang ziehen, um das Virus einzudämmen». Dazu gehöre, dass man mit dem Impfen vorankomme.

Der Projektion der Regierung liegt die Annahme zugrunde, dass der im Dezember verschärfte Lockdown bis in den Februar hinein bestehen bleibt und die Wertschöpfung in betroffenen Bereichen schrittweise wieder anläuft. Der Lockdown ist bisher bis Mitte Februar befristet. Angesichts der Gefahr durch mutierte Corona-Varianten gilt es aber auch als möglich, dass der Lockdown noch einmal verlängert wird.

Altmaier sagte, es wäre das «falsche Signal», nun öffentlich über Lockerungen zu spekulieren und Erwartungen zu setzen, die die Bekämpfung der Pandemie eher erschwerten. Man brauche Geduld.

Im Jahreswirtschaftsbericht heißt es weiter, die vor dem zweiten Lockdown beobachtete positive Entwicklung am Arbeitsmarkt dürfte sich erst im Frühjahr fortsetzen: «Steigende Erwerbstätigkeit und Löhne sorgen dann für Einkommenszuwächse und stützen den privaten Konsum.»

Das Konsumklima war inmitten des im Dezember verhängten harten Lockdowns erneut eingebrochen, wie das Konsumforschungsunternehmen GfK mitteilte. Die gedämpften Konjunkturaussichten schlagen sich auch in den Personalplänen der Unternehmen durch, wie das Ifo-Institut mitteilte. Ifo-Präsident Clemens Fuest sagte: «Der Lockdown führt insbesondere im Einzelhandel zu mehr Entlassungen.»

Von Andreas Hoenig, dpa