Es könnte der erste richtige Reisesommer seit Ausbruch der Corona-Pandemie werden: Keine bedrohliche Virusvariante im Ausland bestimmt die Schlagzeilen; die Reisebeschränkungen vor allem in der EU sind deutlich gelockert.
«Wir sehen eine sehr starke Nachfrage nach Urlaubsreisen», sagte Easyjet-Deutschlandchef Stephan Erler der Deutschen Presse-Agentur mit Blick auf den Hauptstadtflughafen BER. «Mit der Abnahme der massiven Corona-Einschränkungen und Berichterstattung sind Kunden zuversichtlicher.»
Trotzdem könnten Personalengpässe bei Fluggesellschaften und Dienstleistern auch am BER die Reiselust schnell trüben. Tenor bei den Unternehmen: Wir sind personell grundsätzlich für den Ansturm aufgestellt – doch unplanmäßige Ausfälle könnten die Abläufe schnell durcheinander bringen.
Verkehrsreichster TGag mit 80.000 Passagieren
Mit rund drei Millionen Fluggästen rechnen die BER-Betreiber für die Sommerferien. Der verkehrsreichste Tag werde demnach der Freitag, 8. Juli, sagte Flughafenchefin Aletta von Massenbach am Donnerstag in Schönefeld. «Da erwarten wir rund 80.000 Passagiere.» Der bisherige Spitzentag während der Corona-Pandemie war demnach mit 77.000 Passagieren der Karfreitag.
Vom Vorkrisen-Niveau sind solche Zahlen noch ein ganzes Stück entfernt. Während der Sommerferien im Jahr 2019 flogen laut von Massenbach rund fünf Millionen Passagiere über die Berliner Flughäfen. Dennoch ist die Situation bei allen Beteiligten angespannt. «Kleinste Disruptionen können dazu führen, dass es zu Verspätungen kommt», sagte Easyjet-Manager Erler.
Neben den Personalengpässen machen den Fluggesellschaften auch ein aufgrund des Krieges weiter verengter Luftraum sowie die unerwartet stark steigenden Corona-Zahlen zu schaffen. «Es ist eine Situation, die sicherlich viel Verständnis für unsere Kundinnen und Kunden abverlangt. Wir werden nicht alles perfekt hinbekommen», betont Erler. Easyjet hatte bereits vor einigen Wochen trotz der hohen Nachfrage mehrere Flüge aus dem Sommerprogramm genommen.
Qualifiziertes Personal fehlt an vielen Stellen
Nicht nur bei den Fluggesellschaften, auch bei den angeschlossenen Flughafendienstleistern fehle «qualifiziertes Personal, das ein zügiges Hochfahren der Kapazitäten nach der Krise auf das gewünschte Nachfrage-Niveau ermöglichen würde», teilte eine Sprecherin von Wisag mit. Der Dienstleister ist eines von drei Unternehmen, die sich am BER im Auftrag der Fluggesellschaften unter anderem um Passagierabfertigungen, Vorfelddienste und Reinigungsarbeiten kümmern.
Bei Wisag selbst gebe es indes keinen akuten Personalmangel, betonte die Sprecherin. «Wir sind vielmehr personell so aufgestellt, dass wir die Abfertigungs-Wünsche unserer Kunden, auch bei den aktuellen Verkehrsmehrungen, soweit gut erfüllen können.» Die aktuelle Krankenquote entspreche dem jährlichen Durchschnitt. Gleichwohl gilt auch bei Wisag: Krankheitsbedingte Personalausfälle in größerer Zahl könnten «nicht problemlos kompensiert werden». Ähnlich äußerten sich die anderen beiden Dienstleister am BER, Swissport und Aeroground.
Kurzfristige Abhilfe hat die Bundesregierung in Aussicht gestellt: Sie will für Tausende ausländische Aushilfskräfte die Einreise ermöglichen, um auf diese Weise dringend benötigtes Personal zu gewinnen. Auch am BER hätten Bodendienstleister Bedarf angemeldet, sagte von Massenbach. Doch ob die hauptsächlich aus der Türkei kommenden Aushilfen schon in den Sommerferien bereit stehen, ist fraglich.
BER will Chaos vermeiden
Ein Chaos, wie jüngst zum Ferienbeginn am Düsseldorfer Flughafen, wollen die Verantwortlichen am BER um jeden Preis vermeiden. «Wir sind hier vorbereitet, wir haben sehr viel unternommen», betonte die Flughafenchefin. Mehr als 130 Flughafenmitarbeiter hätten sich gemeldet, um während der Stoßzeiten im Terminal auszuhelfen und Fluggäste bei den Abläufen zu unterstützen.
An fast 120 Automaten könnten Passagiere den Check-in-Prozess abkürzen. Easyjet biete zudem ab diesem Freitag auch eine Gepäckabgabe am Vorabend des Abflugs an. Bei Lufthansa und Eurowings gibt es diese Möglichkeit schon länger. Die Passagiere wiederum sind aufgerufen, spätestens 2,5 Stunden vor Abflug vor Ort zu sein.
Die Reisenden müssen sich indes nicht nur auf lange Wartezeiten und Verspätungen einstellen. Auch die Flugtickets werden teurer. Zum einen trifft eine hohe Nachfrage auf ein noch eingeschränktes Angebot. Hinzu kommen die gestiegenen Kosten für die Unternehmen, die diese an die Reisenden weiter geben. «Keine Airline weltweit kommt derzeit umhin, den enormen Kostenschub angesichts rekordhoher Ölpreise wenigstens teilweise weiterzubelasten», teilte etwa die Luftfahrtgesellschaft Eurowings mit.