Vor dem Start der Konzertierten Aktion hat Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) die Beteiligten zum gemeinsamen Handeln gegen die Inflation in Deutschland aufgefordert. Einige Ökonomen und Politiker verlangten dauerhaft höhere Löhne. Andere Wirtschaftswissenschaftler warnten hingegen vor einer Preis-Lohn-Spirale.
Scholz sagte in einem Video-Podcast: «Wir müssen uns unterhaken und zusammenhalten.» Das große Problem, dass viele Bürgerinnen und Bürger gegenwärtig zurecht umtreibe, seien die steigenden Preise. «Und auch da müssen wir gemeinsam handeln», mahnte Scholz. Deshalb habe er – wie das schon einmal in den 60er und 70er Jahre gewesen sei – Gewerkschaften, Arbeitgeber, Bundesbank und Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler eingeladen, «darüber zu sprechen, was wir machen». Der Auftakt der Aktion ist am Montag im Kanzleramt.
Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, sagte der Deutschen Presse-Agentur in Berlin: «Nur höhere Löhne und Sozialleistungen können nachhaltig den Schaden für Menschen mit mittleren und geringen Einkommen kompensieren.» Einmalzahlungen seien dagegen nicht zielgenau, da viele davon gar nicht profitierten.
Vor einer Woche waren Pläne aus dem Kanzleramt über steuerfreie Einmalzahlungen bekannt geworden. Im Gegenzug könnten Gewerkschaften bei Tarifrunden auf einen Teil der Lohnsteigerungen verzichten, um die Inflation nicht weiter anzuheizen, hieß es.
Verlängerung der Schuldenbremse gefordert
Fratzscher sagte, Einmalzahlungen könnten nur eine temporäre, aber keine dauerhafte Entlastung sein. «Der wirtschaftlich wie sozial beste Weg im Umgang mit der Inflation ist – neben höheren Löhnen und Einkommen – eine steuerliche Entlastung und höhere soziale Leistungen für Menschen mit mittleren und geringen Einkommen», sagte Fratzscher.
Die Bundesregierung sollte zudem ein Paket von Zukunftsinvestitionen beschließen, so Fratzscher. Die Schuldenbremse solle auch 2023 ausgesetzt werden – die Bundesregierung will sie wieder einhalten.
Die «Wirtschaftsweise» Veronika Grimm sagte der dpa: «Die Idee von Einmalzahlungen kann auch nach hinten losgehen.» Wenn man für Einmalzahlungen auf Lohnsteigerungen verzichte, müssten sie sehr hoch ausfallen. «Das könnte natürlich unmittelbar die Nachfrage und somit wieder die Inflation anheizen.»
SPD-Chefin Saskia Esken sagte den Zeitungen der Funke Mediengruppe: «Einmalzahlungen und befristete Entlastungsmaßnahmen helfen kurzfristig, sind aber auf Dauer keine Lösung.» Die Preise vor allem für Energiepreise würden hoch bleiben. «Als Sozialstaat müssen wir daher die Leistungen an die steigende Inflation anpassen.» Zusätzlich müssten die Löhne auf dem Arbeitsmarkt, insbesondere im Niedriglohnsektor, «signifikant und dauerhaft steigen».
Auch andere mögliche Instrumente sollen bei der Konzertierten Aktion auf den Tisch kommen. Dazu zähle das von Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) vorgeschlagene soziale Klimageld, hieß es in Regierungskreisen. Heil will einmal im Jahr so ein Klimageld für Alleinstehende, die weniger als 4000 Euro brutto im Monat verdienen, und für Verheiratete mit zusammen weniger als 8000 Euro.
Die CDU-Wirtschaftsexpertin Julia Klöckner kritisierte, die Konzertierte Aktion falle unter die Kategorie «Wenn ich nicht mehr weiter weiß, gründe ich einen Arbeitskreis». Vielmehr müssten unter anderem Steuern und Abgaben auf Energie dauerhaft gesenkt werden.
Fratzscher: Lohn-Preis-Spirale ist ein «falscher Mythos»
Der CDU-Sozialflügel forderte hingegen: «Die Mehrwertsteuer auf Grundnahrungsmittel, die um bis zu 40 Prozent teurer geworden sind, muss vorübergehend reduziert werden.» Eine Tüte Chips dürfe nicht billiger sein als ein Möhrensaft, zitieren die Zeitungen der Funke-Mediengruppe ein Papier des Arbeitnehmerflügels CDA.
Nach Ansicht des «Wirtschaftsweisen» Achim Truger kann die Konzertierte Aktion helfen, eine drohende Rezession in Deutschland zu verhindern. Inhaltlich gehe es darum, «dass die Gewerkschaften keine übertriebenen Lohnforderungen stellen, damit es nicht zu einer Preis-Lohn-Spirale kommt», sagte er der Mediengruppe Bayern. Fratzscher meinte dagegen, die Lohn-Preis-Spirale sei ein «falscher Mythos». Von den Arbeitgebern verlangte Truger wie auch Fratzscher mehr Tarifbindung.
Der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertags, Peter Adrian, sagte der dpa, Geldpolitik und Lohnentwicklung seien wichtig. Die aktuelle Preisspirale führte er aber vor allem auf Kostensteigerungen bei Energie, Rohstoffen und Engpässen in Lieferketten zurück. «Wir müssen deshalb vor allem Maßnahmen angehen, die diese Engpässe auf der Angebotsseite erweitern.» Dazu gehörten mehr Tempo bei Genehmigungsverfahren. «Angesichts der Preisexplosion ist jede staatliche Extralast und überflüssige Vorschrift, die wegfallen kann, eine hilfreiche Entlastung.»