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Energie-Experten: Keine einfache Lösung bei Strommarktreform

Der Sitz der EU-Kommission in Brüssel. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Zhang Cheng/XinHua/dpa)

Für die Reform des europäischen Strommarktes gibt es nach Angaben von Energie-Experten keine einfache Lösung. «Politiker hoffen zwar, dass man mit einem Federstrich dafür sorgen kann, dass die Preise günstiger werden», sagte der Ökonom Georg Zachmann von der Brüsseler Denkfabrik Bruegel der Deutschen Presse-Agentur. «Die Schwierigkeit ist allerdings, dass sich daran viele versucht haben und es keine guten Vorschläge gibt.»

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat angesichts der hohen Preise eine strukturelle Reform des europäischen Strommarktes sowie Notfallmaßnahmen in den kommenden Wochen angekündigt, um Verbraucher zu entlasten. Aus Sicht des Experten sind Zweifel angebracht, ob das auf die Schnelle klappt.

Strom aus Gaskraftwerken treibt den Preis

Auf dem europäischen Strommarkt werden die Preise zurzeit vor allem von Gaskraftwerken vorgegeben. Da der Gaspreis vor dem Hintergrund des Kriegs in der Ukraine stark gestiegen ist, ist auch Strom teurer geworden. Das liegt daran, dass der Strompreis durch das teuerste eingeschaltete Kraftwerk bestimmt wird, das zur Produktion benötigt wird. Ist die Nachfrage niedrig, reicht günstiger Strom etwa aus Windkraft. Derzeit müssen aber teure Gaskraftwerke genutzt werden, um die Nachfrage zu decken – und der Preis richtet sich nach ihnen.

Ziel der Reform und die Zweifel daran

Eine Reform soll die Preise entkoppeln, so dass Verbraucher etwa für günstigen Strom aus Sonne und Wind weniger bezahlen. Laut Zachmann würde der Preis sich auch in einem alternativen System auf den Preis der teuersten Energiequelle einpendeln. «Das ist eine ökonomische Gesetzmäßigkeit.» Das liegt dem Experten zufolge daran, dass auch Anbieter von günstigem Strom – etwa aus Windkraft – einen höheren Preis verlangen können, wenn die Nachfrage steigt und teurere Energiequellen – also Gaskraftwerke – eingeschaltet werden müssen.

«Den Merit-order-Preismechanismus kann man, glaube ich, nur dauerhaft aussetzen, wenn man den Markt radikal zentralisiert», sagte Zachmann. Eine Entkopplung sei nur möglich, wenn der Staat quasi in alle Vertragsbeziehungen eingreifen könne. Solch eine Reform ist aus Sicht des Experten aber langwierig und politisch unrealistisch, auch wegen unterschiedlicher Interessen der Länder und Energiefirmen.

Ähnlich sieht das die Energie-Ökonomin Claudia Kemfert. «Eine Entkopplung des Gaspreises vom Strompreis durch die Anpassung der Merit-Order ist kurzfristig weder machbar noch sinnvoll», sagte sie der «Rhein-Neckar-Zeitung». Eine Reform des Strommarktes müsse europaweit vereinbart werden. «Von kurzfristigen Schnellschüssen ist abzuraten.» Auch Politiker warnen: «Eine Strommarktreform mitten in der Energiekrise ist kein Selbstläufer», so der Europaabgeordnete Markus Ferber (CSU).

Preisdeckel für Gas

Spanien und Portugal haben den Preis für Gas in der Stromproduktion gedeckelt, damit auch Elektrizität günstiger wird. Auf der iberischen Halbinsel gibt es die Sonderregelung nur, weil sie nur bedingt mit dem Rest Europas verkabelt ist. Länder wie Belgien und Italien fordern einen Preisdeckel auch auf europäischer Ebene. In einem Entwurf mit ersten Vorschlägen spricht sich die EU-Kommission jedoch gegen einen EU-weiten Preisdeckel nach dem iberischen Vorbild aus, da dies zu einem höheren Gasverbrauch führen würde.

Zachmann gibt ebenfalls zu bedenken: «Das hat massive Nebenwirkungen und wird ja dann entsprechend große Widerstände bei einigen Mitgliedsstaaten auslösen.» Es könne dazu führen, dass am Ende stellenweise nicht mehr genug Strom zur Verfügung stehe, weil etwa Anbieter zu einem bestimmten Zeitpunkt zu einem bestimmten Preis nicht liefern wollen. In Spanien wird auch beobachtet, dass billig produzierter Strom nach Frankreich exportiert wird, wo die Preise höher sind.

Übergewinnsteuer

Eine Möglichkeit ist laut Zachmann eine Übergewinnsteuer für Unternehmen, die durch hohe Strompreise außergewöhnlich verdienen – etwa Betreiber von Atomkraftwerken oder Windkraftanlagen. «Also, dass man in irgendeiner Form die exzessiven Gewinne der Stromunternehmen besteuert und dieses Geld dann an die Kunden zurückzahlt.»

In ihrem Entwurf schlägt die EU-Kommission eine ähnliche Maßnahme vor, nennt sie aber nicht Übergewinnsteuer. Profite von Unternehmen, die billigen Strom produzieren, sollen ab einem bestimmten Preislimit umverteilt werden. «Wir müssen bei den Niedrigkosten-Energien sagen, ihr könnt einen gewissen Gewinn machen, aber nicht alles weit über dem Erträumten hinaus kann bei Ihnen bleiben», sagte von der Leyen Anfang der Woche in Berlin. Ein Teil der Gewinne müsse dazu dienen, Firmen und Menschen mit niedrigem Einkommen zu unterstützen. «Ein europäisches Energiegeld wäre der richtige Anfang, um schnell helfen zu können», sagte auch der Grünen-Europaabgeordnete Michael Bloss.

Zachmann warnte jedoch, die Bestimmung der Übergewinne sei kompliziert – auch weil Strom, der voriges Jahr verkauft wurde, erst jetzt produziert werde. In Italien wird solch eine Steuer bereits umgesetzt, Unternehmen weigern sich jedoch teilweise, sie zu zahlen und klagen dagegen.

Angebot und Nachfrage

Das Grundproblem ist laut Zachmann der Mangel an Energie. Er plädierte dafür, so viele Kraftwerke wie möglich zusätzlich ans Netz zu bringen, damit mehr Energie verfügbar ist, und gleichzeitig mehr Anreize zum Energiesparen zu machen. «Wenn wir Angebot und Nachfrage wieder besser in Einklang bringen, dann lösen sich viele dieser Preis-Probleme auch aus dem gewohnten Mechanismus wieder.» Die EU-Kommission schlägt in dem Entwurf auch Stromsparmaßnahmen vor – ähnlich wie bei den bereits entschiedenen Gassparzielen.

Wie es weitergeht

Das Thema soll bei einem Sondertreffen der EU-Minister für Energie am 9. September Thema sein, an dem voraussichtlich auch die ersten Vorschläge der EU-Kommission besprochen werden. Etwas Konkreteres könnte von der Leyen bei ihrer Rede zur Lage der Union am 14. September vorschlagen. Es ist auch noch offen, ob es um freiwillige oder verpflichtende Maßnahmen gehen wird.

Zu Beginn des nächsten Jahres will die Kommission zudem einen Vorschlag für eine tiefgreifendere, strukturelle Reform vorlegen. Dieser muss dann noch von den EU-Staaten und dem Europaparlament verhandelt werden – das dauert in der Regel mehrere Monate. Bis Verbraucher von einer EU-Reform etwas spüren, könnte es also noch dauern.

von Laura Dubois, dpa