Nach zwölf Krisenjahren blickt die deutsche Seeschifffahrt trotz Corona-Pandemie in weiten Teilen wieder optimistisch in die Zukunft.
«Wir haben die Krise, die uns seit 2009 beschäftigt hat, weitgehend hinter uns gelassen und sind in vielen Bereichen bislang auch erstaunlich unbeschadet durch die Pandemie gefahren», sagte der Präsident des Verbands Deutscher Reeder (VDR), Alfred Hartmann, am Dienstag.
Das Corona-Jahr 2020 sei außerordentlich herausfordernd gewesen. «Wir hatten im Frühjahr noch große Sorgen, dass wegen der Pandemie (…) der Markt komplett zusammenbricht», sagte Hartmann. Zum Herbst habe es dann aber eine überraschende Wende vor allem bei der Containerfracht gegeben. «Wenn ich außerordentlich gut sage, dann beziehe ich mich natürlich schon auch auf das Ende von zwölf Krisenjahren», sagte Hartmann. Die Charterraten lägen aber immer noch unter dem Niveau von 2008.
In einzelnen Segmenten gebe es aber Probleme, etwa beim Transport von Erdöl. Schlecht sehe es auch bei den Fähr- und Fördeschiffen aus, die zu den Inseln fahren. «Der Markt ist sehr eingeschränkt», sagte Hartmann mit Blick auf die Osterferien. Ähnlich verhalte es sich bei den Kreuzfahrtschiffen. «In dem Bereich haben wir noch große Sorgen, nicht nur bei den Reedereien, sondern auch bei den Werften, die keine neuen Aufträge bekommen.»
Deutschland ist nach Angaben des Geschäftsführenden VDR-Präsidiumsmitglieds Ralf Nagel trotz eines Rückgangs von 0,4 Punkten auf 4,5 Prozent beim Anteil an der Welthandelsflotte immer noch die fünftgrößte Schifffahrtsnation. Ende 2020 umfasste die Handelsflotte 2001 Schiffe mit 48,7 Millionen BRZ (Bruttoraumzahl/Bruttoregisterzahl), das sind 139 Schiffe oder 4,1 Millionen BRZ weniger als im Jahr zuvor. Besonders stark am Weltmarkt sei die deutsche Handelsflotte in der Containerschifffahrt mit 12,5 Prozent sowie bei den Mehrzweckschiffen mit 10,3 Prozent.
Fast die Hälfte der deutschen Handelsflotte (45,6 Prozent) fahre unter der Flagge eines EU-Staats, neben Deutschland vor allem Portugal, Zypern und Malta, sagte Nagel. Den Rest teilten sich vor allem der karibische Inselstaat Antigua und Barbuda sowie das westafrikanische Land Liberia. Die Zahl der nur in Deutschland sozialversicherungspflichtig beschäftigten Seeleute bezifferte Nagel auf knapp 7600. «Das sind natürlich weniger als in früheren Jahren. Aber wir haben da eine gewisse Stabilisierung erreichen können.»
Weiter weltweit Schwierigkeiten bereitet wegen der Corona-Pandemie der Wechsel der Crews auf den Seeschiffen. «Nach wie vor befinden sich in etwa 400.000 Seeleute auf den Schiffen, die nicht planmäßig abgelöst werden können», sagte Hartmann. Auf der anderen Seite sitze noch einmal die gleiche Zahl an Seeleuten zu Hause und habe keine Arbeit. Auch die Corona-Impfungen seien ein großes Problem. So müssten die Impfstoffe weltweit anerkannt sein. Und: «Die Zweifachimpfungen können in den seltensten Fällen bei den Seeleuten durchgeführt werden, es sei denn sie sind zu Hause im Urlaub.»