Der Milliardär und Patriarch des Bremsenspezialisten Knorr-Bremse, Heinz Hermann Thiele, ist tot. Er starb nach Angaben des Unternehmens überraschend am Dienstag im Alter von 79 Jahren im Kreise seiner Familie in München.
Einer breiten Öffentlichkeit wurde Thiele bekannt, als er vergangenes Jahr in der Corona-Krise zum größten Aktionär der Lufthansa aufstieg. Er hatte den Einstieg des Staates zur Rettung der Fluggesellschaft kritisiert, dann aber doch zugestimmt.
In seinem Unternehmen, das er vom Sanierungsfall zu einem profitablen Weltmarktführer für Zug- und Lkw-Bremsen mit fast 30.000 Beschäftigten und rund sieben Milliarden Euro Umsatz gemacht hatte, war Thiele zuletzt stellvertretender Vorsitzender und Ehrenvorsitzender des Aufsichtsrates. Er war erst im Juni 2020 nach vier Jahren Pause wieder in das Kontrollgremium eingezogen.
Thiele gehörte zu den reichsten Deutschen: Auf zuletzt gut 20 Milliarden Dollar schätzte die Nachrichtenagentur Bloomberg sein Vermögen. Aber Thiele hat es nicht geerbt – er ist Selfmade-Milliardär. In einem ersten Nachruf verweist das Unternehmen auf den frühen Tod des Vaters, der ihn sehr geprägt habe. Aus der Rückschau habe er «äußerst beschränkte finanzielle Verhältnisse und die mir sehr fehlende Vaterfigur genutzt, um aus eigener Kraft etwas zu schaffen», zitiert das Unternehmen den Firmenpatriarchen selbst.
Als 28-Jähriger hatte der gebürtige Mainzer nach seinem Jurastudium 1969 bei dem Münchner Mittelständler Knorr-Bremse angefangen – als Sachbearbeiter in der Patentabteilung. 1979 wurde er Vertriebschef, 1985 übernahm er die Firma. Der damalige Firmenerbe wollte alles verkaufen und sich nur noch der Religion widmen, die Geschäfte liefen schlecht. «Hier stimmte gar nichts», erklärte Thiele später in einer Firmenschrift.
Als sich kein Käufer fand, sicherte sich Thiele die angeschlagene Firma auf Pump: «Ich habe aus der Not eine Tugend gemacht.» Den Rat einer Unternehmensberatung, das Bremsengeschäft abzustoßen und sich auf Industriepneumatik zu spezialisieren, schlug er in den Wind – und tat das Gegenteil. Thiele war bis 2007 Vorstandsvorsitzender, von 2007 bis 2016 Vorsitzender des Aufsichtsrats und ab Juli 2020 dessen stellvertretender Vorsitzender.
Aus Unternehmenskreisen hieß es: «Er ist der klassische Patriarch. Noch nie ist eine Entscheidung ohne ihn gefallen.» Als das «Manager Magazin» Thiele in seine «Business Hall of Fame» aufnahm und als «hervorragenden Unternehmer und Antreiber» würdigte, war die Auszeichnung Knorr-Bremse im Geschäftsbericht 2017 ganz vorne die erste Doppelseite wert. Thiele sagte dem Magazin: «Ich bin Unternehmer und werde bis zum letzten Atemzug unternehmerisch tätig sein.»