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Zoll-Ärger: Die E-Zigaretten-Branche zieht vor Gericht

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Okt 17, 2022
Deutschlands E-Zigarettenbranche will die deutlich erhöhte Steuerlast abschwächen. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Lisa Ducret/dpa)

Deutschlands E-Zigarettenbranche zieht juristisch alle Register, um die deutlich erhöhte Steuerlast auf ihren Produkten abzuschwächen. Ein Konsument und ein Händler reichten kürzlich Klage gegen das Hauptzollamt Saarbrücken beim Finanzgericht des Saarlandes ein, wie der Verband des E-Zigarettenhandels mitteilte. Der Verband unterstützt die Klage. Die Branche will erreichen, dass auf Rohstoffe, die E-Zigaretten-Dampfer zur Herstellung von Flüssigkeiten (Liquids) nutzen, keine Tabaksteuer anfällt.

Bei den Rohstoffen geht es um zwei Basen: um Propylenglykol und um pflanzliches Glycerin. Viele E-Zigaretten-Nutzer stellen ihre Liquids selbst her und mischen diese beiden Rohstoffe mit Aromen sowie mit Nikotin. Das fertig gemischte Produkt unterliegt der Tabaksteuer. Fraglich ist aber, ob die Steuerpflicht schon bei den einzelnen Bestandteilen greift, also vor dem Mischen.

Wichtige Frist läuft im Februar aus

Der Zoll vertritt die Auffassung, dass Tabaksteuer berechnet werden muss. Dadurch würden sich Rohstoffe für die Liquids bald erheblich verteuern. Noch gilt eine Abverkaufsfrist für Ware, die bis Ende Juni an den Handel geliefert wurde. Aber spätestens wenn die Frist im Februar ausläuft, wird es wesentlich teuer.

Die Dampfer-Shops befürchten, dass sie dann einen beträchtlichen Teil ihres Geschäfts einbüßen – derzeit machen sie schätzungsweise ein Fünftel ihres Gesamtumsatzes mit dem Rohstoff-Verkauf und den Rest mit den Fertigprodukten (Liquids) und Geräten.

Konsumenten könnten besagte Rohstoffe viel billiger woanders beziehen, und zwar in Drogeriemärkten, in der Apotheke und bei Online-Händlern. Dort sind die Substanzen, die man etwa auch für Cremes und den Tierbedarf nutzen kann, nicht für die E-Zigaretten-Nutzung deklariert. Daher wird keine Tabaksteuer fällig, obwohl es die gleichen Rohstoffe sind. «Das ist unfair und erschwert das Geschäft unserer Branche erheblich», sagt Oliver Pohland vom Verband des E-Zigarettenhandels. «Der ehrliche Händler ist hierbei der Dumme.»

Die E-Zigaretten-Branche und der Zoll streiten über die Auslegung des Gesetzes. Darin ist von «Erzeugnissen» die Rede, die der Tabaksteuer unterliegen. Aber was ist ein Erzeugnis? Nur das fertige Produkt, sagen die Kläger: etwas, was «erzeugt» wurde. Der Zoll hingegen versteht das Wort so, dass sowohl das Fertigerzeugnis als auch die «Mischkomponenten» für E-Zigaretten – Glycerin und Propylenglykol – tabaksteuerpflichtig seien.

Kurios mutet die im Gesetz verankerte Zweckbestimmung an: Werden die Rohstoffe zum Zwecke des E-Zigaretten-Dampfens verkauft, greift die Tabaksteuer. Fehlt dieser Zweck, tut sie es nicht. «Die in Apotheken und Drogeriemärkten angebotenen Produkte, wie Glycerin und Propylenglykol, unterliegen aufgrund der fehlenden Zweckbestimmung […] nicht einer Besteuerung», sagt eine Sprecherin der Generalzolldirektion.

Herber Rückschlag für Branche möglich

Ein Rechenbeispiel: Derzeit kostet ein Liter Propylenglykol grob zwischen 10 und 30 Euro. Würde Tabaksteuer fällig, kämen 160 Euro oben drauf. Das macht klar: In einem  E-Zigaretten-Shop würde das Produkt zum Ladenhüter, da im Drogeriemarkt der gleiche Inhalt 160 Euro weniger kostet. Setzt sich die Haltung des Zolls vor Gericht durch, wäre das ein herber Rückschlag für die aufstrebende E-Zigaretten-Branche.

Die ist ohnehin unter Druck, weil auch ihre Standardprodukte – die fertigen Liquids – erstmals der Tabaksteuer unterliegen und dadurch teuer werden. Das könnte die Kauflaune der Kundschaft trüben.

In dem Streit zwischen der E-Zigaretten-Branche und dem Staat gibt es noch einen anderen Strang: Im Frühjahr hatte das Bündnis für Tabakfreien Genuss eine Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht eingereicht, um weitere, in den nächsten Jahren anstehende Steuererhöhungen zu verhindern. Dass E-Zigaretten ein viel geringeres Schadenspotenzial als Tabakzigaretten haben und in der neuen Steuergesetzgebung trotzdem gleichgestellt werden, sei unverhältnismäßig, moniert das Branchenbündnis. Ob es zur Verhandlung kommt, entscheidet das BVG wohl erst 2023. In dem Jahr dürfte es auch am saarländischen Finanzgericht zum Rohstoff-Streit eine Entscheidung geben.

Von Wolf von Dewitz, dpa