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Fall der Greensill Bank erschüttert Sparer

Die Finanzaufsicht Bafin hat die Greensill Bank AG wegen drohender Überschuldung dicht gemacht. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Sina Schuldt/dpa/Archiv)

«Die Greensill Bank AG ist eine hoch kapitalisierte, traditionsreiche deutsche Bank. Die Sicherheit der Kundeneinlagen hat für uns oberste Priorität.» So wirbt das Bremer Institut auf seiner Internetseite.

«Tagtäglich sorgen motivierte Mitarbeiter dafür, dass die uns anvertrauten Kundeneinlagen in einem nachhaltigen Geschäftsmodell angelegt werden.»

Seit Mittwoch, 16.15 Uhr, ist offiziell: Das Geldhaus hat ein großes Problem. Die Finanzaufsicht Bafin machte die Greensill Bank AG wegen drohender Überschuldung dicht. Das zum britisch-australischen Finanzkonglomerat Greensill gehörende Institut werde mit sofortiger Wirkung für den Kundenverkehr geschlossen, teilte die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) mit. Die Bank selbst war für eine Stellungnahme auch am Donnerstag zunächst nicht erreichbar.

Während eines solchen Moratoriums darf eine Bank keine Gelder auszahlen und Zahlungen nur entgegennehmen, wenn diese zur Tilgung von Schulden bestimmt sind. Einer Übersicht des Branchennewsletters «finanz-Szene.de» zufolge gehört die Greensill Bank zu den größeren Fällen gestrauchelter Geldhäuser in Deutschland in den vergangenen 20 Jahren. Eine – zumindest kurzzeitige – Wiederauferstehung nach der Zwangsschließung durch die Finanzaufsicht in der Finanzkrise gab es nur im Fall der hiesigen Dependance der isländischen Kaupthing Bank.

Tausende Sparer aus Deutschland hatten sich damals von den Isländern mit immens hohen Tagesgeldzinsen locken lassen – und mussten nach der Kaupthing-Pleite im Oktober 2008 um ihr Geld bangen. Auch das Bremer Institut, das 2017 aus der Nordfinanz Bank hervorgegangen ist, bot in einem Umfeld von Null- und Negativzinsen Tages- und Festgeldanlagen mit ungewöhnlich hohen Sparzinsen an – prominent beworben im Internet auf Zinsportalen wie «Weltsparen» oder «Zinspilot».

Der Bankenverband BdB und Verbraucherschützer beruhigten besorgte Privatanleger nun umgehend: Spargelder bis zu 100 000 Euro je Kunde sind über die gesetzliche Einlagensicherung geschützt. Noch umfassender ist der Rettungstopf der privaten Banken, über den laut BdB bei Greensill bis zu knapp 75 Millionen Euro pro Kunde abdeckt sind. «Sollte der Entschädigungsfall eintreten, erhalten Kundinnen und Kunden von der Entschädigungseinrichtung deutscher Banken innerhalb von sieben Werktagen ihre kompletten Einlagen zurück», teilte die Bremer Verbraucherzentrale mit. Aktuell kommen Sparer wegen des von der Bafin verhängten Moratoriums allerdings nicht an ihr Geld.

Für die Verantwortlichen des Instituts dürfte der Fall so rasch nicht erledigt sein: Die Bremer Staatsanwaltschaft hat ein Ermittlungsverfahren eröffnet. Die Bafin hatte Strafanzeige gestellt – der Verdacht: Bilanzfälschung. Ungewohnt deutlich formuliert die Finanzaufsicht in ihrer Mitteilung zum Moratorium: «Die Bafin hat in einer forensischen Sonderprüfung festgestellt, dass die Greensill Bank AG nicht in der Lage ist, den Nachweis über die Existenz von bilanzierten Forderungen zu erbringen, die sie von der GFG Alliance Group angekauft hat.»

Bereits im vergangenen Sommer hatte es dem Vernehmen nach erste Hinweise gegeben, dass die Bankenaufseher bei der Bremer Bank genauer hinschauen sollten. Vor einigen Wochen dann schickte die Bafin einen Sonderbeauftragten an die Weser.

Ein Blick in den Geschäftsbericht zeigt, woran sich Argwohn entzündet haben könnte: 2019 explodierte die Bilanzsumme der Greensill Bank AG geradezu um plus 472 Prozent auf gut 3,8 Milliarden Euro (2018: rund 666 Mio Euro). Ende 2020 waren es nach Bafin-Angaben dann rund 4,5 Milliarden Euro. Auch die Kundeneinlagen versechsfachten sich von 2018 auf 2019 fast von knapp 582 Millionen Euro auf über 3,2 Milliarden Euro.

«Der Fall der Greensill Bank zeigt erneut, wie wichtig eine konsequente Verknüpfung von Risiko und Haftung bei der Einlagensicherung ist», meint der Grünen-Europapolitiker Sven Giegold. «Zentrales Marketingargument war die Einlagensicherung. Zehntausende Kunden liehen der Bank Geld, ohne sich für deren Risikoprofil zu interessieren.»

Hintergrund für das rekordverdächtige Wachstum: Das Institut, dessen Wurzeln bis ins Jahr 1927 zurückreichen, sorgte nach Einschätzung der Aufseher innerhalb der Greensill-Gruppe für die notwendigen frischen Gelder für das Geschäft der Lieferkettenfinanzierung («Supply Chain Finance»). Der Mutterkonzern Greensill Capital Pty Ltd. mit Sitz in Australien ist in schwere Turbulenzen geraten. Nun haben die Schockwellen Bremen erreicht.

Von Jörn Bender und Friederike Marx, dpa