In der Adventszeit leuchtet die Nürnberger Altstadt unterhalb der Burg stimmungsvoll. Es duftet nach Glühwein, gebrannten Mandeln und Tannengrün. Mehr als zwei Millionen Menschen zieht der weltberühmte Nürnberger Christkindlesmarkt jedes Jahr an.
Doch in diesem Jahr herrscht Leere, wo sich normalerweise Feiernde um Buden mit Weihnachtsspezialitäten drängen. Überall im Land sind die Weihnachtsmärkte abgesagt – und die Hersteller von Glühwein, Gebäck und traditionellem Schmuck fürchten um ihr Geschäft.
Echten Lebkuchen aus Nürnberg kann man zwar das ganze Jahr über kaufen. In der Adventszeit machen die Lebküchnereien aber ihren Hauptumsatz. Dass die Weihnachtsmärkte ausfallen, trifft die Firmen hart. «Was für uns aber noch schlimmer ist, ist die emotionale Komponente. Es fehlt einfach die Weihnachtsstimmung», sagt Jürgen Brandstetter, Geschäftsführer von Lebkuchen-Schmidt.
Das bekommt das Traditionsunternehmen in seinen 140 Filialen in ganz Deutschland deutlich zu spüren. Brandstetter rechnet dort mit einem Umsatzminus im niedrigen siebenstelligen Bereich. «Die Kunden sind vorsichtiger. Wir spüren, dass weniger Menschen in den Innenstädten unterwegs sind», sagt Brandstetter.
Gleichzeitig sei der Verkauf übers Internet und die Bestellhotline sprunghaft gestiegen. «Wir arbeiten im Versand rund um die Uhr – auch nachts, was wir in den Vorjahren nicht hatten, um das zu bewältigen.» Jetzt hofft Brandstetter, dass der Versandhandel das Umsatzminus in den Geschäften kompensieren kann.
Ähnlich geht es den Printenbäckern in Aachen. 1,5 Millionen Menschen zieht allein der Aachener Weihnachtsmarkt jährlich an, die an den Ständen und in den Bäckereien in der Innenstadt die braunen Lebkuchen kaufen. Jetzt ließen sich viele diese stattdessen schicken, sagt Michael Nobis, Inhaber der Traditionsbäckerei Nobis Printen. «Über den Online-Shop und per Telefon ordern viele Kunden derzeit ihre Printen.»
Für die Glühwein-Hersteller könnte es dagegen schwierig werden, die weggebrochenen Einnahmen von den Weihnachtsmärkten auszugleichen. «Wenn man überlegt, was auf den mehr als 1000 Weihnachtsmärkten in Deutschland getrunken wird», sagt Ernst Büscher vom Deutschen Weininstitut in Bodenheim bei Mainz. Einige Hersteller seien zwar dazu übergegangen, ihren Glühwein in 0,75 Liter-Flaschen im Handel anzubieten. Doch selbst, wenn die Verbraucherinnen und Verbraucher mehr Glühwein als üblich zu Hause tränken, käme das wohl nicht an die Mengen auf den Weihnachtsmärkten heran, meint Büscher. «Auch wegen der Kontaktbeschränkungen.» Fröhliche Glühweinrunden mit Freunden und Nachbarn seien deshalb in diesem Jahr nicht möglich.
Die 300 Beschäftigten in Kurzarbeit, viele Saisonkräfte arbeitslos – für Käthe Wohlfahrt ist die Adventszeit dieses Jahr bitter. Auf 60 Weihnachtsmärkten in Deutschland baut der mittelfränkische Weihnachtsschmuckanbieter sonst seine Stände mit Krippenfiguren, Baumschmuck und Nussknackern auf, Hunderte Hilfskräfte lassen die Mitarbeiterzahl in jenen Wochen auf 1200 steigen. «Die alle konnten dieses Jahr nicht eingestellt werden», sagt Sprecherin Felicitas Höptner.
Im November und Dezember läuft für das Familienunternehmen aus Rothenburg ob der Tauber eigentlich das Hauptgeschäft. In diesem Jahr aber geht es in den beiden Monaten von einem Umsatzrückgang von 90 Prozent gemessen am Vorjahreszeitraum aus. «Der Umsatzverlust geht in die Millionen», sagt Höptner. Das könne auch der Zuwachs von 80 Prozent beim Online-Verkauf nicht ansatzweise ausgleichen.
Nach der Absage der Weihnachtsmärkte hat Käthe Wohlfahrt neben den bestehenden Läden kurzfristig zwei Pop-up-Weihnachtsgeschäfte in Köln und Hamburg aufgezogen. «Die Kunden, die kommen, geben mehr Geld aus», sagt Höptner. Weil aber wegen der Abstandsregeln weniger Menschen in die Geschäfte dürften, bringe das unter dem Strich nicht mehr Einnahmen.
Doch unter der Absage der Weihnachtsmärkte leiden nicht nur die Hersteller von Gebäck, Schmuck und Glühwein. Von den vielen Touristen, die beispielsweise der Nürnberger Christkindlesmarkt anzieht, profitieren auch die Hotels, Lokale, Geschäfte, Museen und somit auch die Stadt selbst. «Der Umsatz- und Kaufkraftzufluss beträgt laut vorsichtigen Schätzungen rund 180 Millionen Euro», sagt Christine Beeck vom Marktamt der Stadt Nürnberg.
Wie viel die Standbetreiber auf dem Christkindlesmarkt umsetzen, kann sie nicht sagen. Für die sei die Absage aber ein herber Schlag, sagt Beeck. Digitale Weihnachtsmärkte in Nürnberg, München und vielen anderen Städte sollen deren Not zumindest etwas lindern. Zu kaufen gibt es dort alles, was es klassischerweise auf den Weihnachtsmärkten gibt – das stimmungsvolle Licht und die appetitanregenden Düfte fehlen allerdings.