Die Schweizer Notenbank hat mit einem Milliarden-Hilfspaket für die angeschlagene Credit Suisse die jüngsten Kursverluste der Aktie gestoppt. Die Schweizerische Nationalbank (SNB) stellt dem angeschlagenen Institut Kredite bis zu 50 Milliarden Franken (knapp 51 Mrd Euro) zur Verfügung, wie die Credit Suisse in Zürich mitteilte.
Die zweitgrößte Schweizer Bank will mit dem Schritt verlorenes Vertrauen am Finanzmarkt zurückgewinnen. Für Notenbank, Finanzaufsicht und Regierungen geht es auch darum, eine allgemeine Bankenkrise zu verhindern. An der Börse zeigten die Maßnahmen Wirkung.
Die Aktie der Credit Suisse erholte sich nach den Maßnahmen ein gutes Stück von ihrem Kurssturz vom Vortag. Zum Handelsstart legte ihr Kurs um fast ein Drittel auf 2,25 Schweizer Franken (2,28 Euro) zu. Am Nachmittag lag die Aktie noch mit gut 18 Prozent im Plus bei 2,01 Franken. Am Vortag war sie auf ein Rekordtief von 1,56 Franken gesackt und letztlich noch mit einem Abschlag von fast einem Viertel auf 1,697 Franken aus dem Handel gegangen.
Auch der übrige Bankensektor erholte sich am Donnerstag etwas. Der Branchenindex Stoxx Europe 600 Banks legte zuletzt um rund ein halbes Prozent zu, nachdem er zur Wochenmitte fast sieben Prozent eingebüßt hatte.
Saudischer Großaktionär: Panik «vollkommen ungerechtfertigt»
Der Kollaps mehrerer regionaler US-Banken hatte Ende vergangener Woche Unsicherheit im Bankensektor ausgelöst. Am Mittwoch reagierten Anleger geschockt auf eine Erklärung der saudischen Großaktionärin der Credit Suisse, der Saudi National Bank: Deren Präsident Ammar Al Khudairy hatte im Interview mit dem Sender Bloomberg TV weitere Unterstützung für das Schweizer Institut ausgeschlossen, das nach Milliardenverlusten in den vergangenen beiden Jahren angeschlagen ist. Der Kurs der Credit-Suisse-Aktie sackte ab. In der Nacht bezeichnete Khudairy die Panik im US-Sender CNBC als «vollkommen ungerechtfertigt». Demnach glaubt er nicht, dass die Credit Suisse weiteres Kapital benötigt.
Eurogruppen-Chef Paschal Donohoe zeigte sich mit Blick auf die Turbulenzen zuversichtlich, dass Europas Banken gewappnet sind. «Wir sind uns der Risiken bewusst, die derzeit in unserem Banken- und unserem globalen Finanzsystem bestehen. Aber die Höhe der Eigenkapitalpuffer gibt uns die Gewissheit, dass wir in der Lage sind, diese Risiken zu managen», sagte er der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung».
Lindner: «Deutsches Kreditwesen stabil»
Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) hatte am Mittwochabend die Stabilität des deutschen Kreditwesens hervorgehoben. «Die Bundesregierung ist mit allen Beteiligten in einem ständigen und intensiven Austausch», sagte der FDP-Vorsitzende in der ARD-Sendung «Maischberger». «Wir haben mit der Bafin eine leistungsfähige Finanzaufsicht, und wir haben die Bundesbank, die ebenfalls eine stabilitätspolitische Tradition hat. Wir können deshalb sehr klar sagen: Das deutsche Kreditwesen – private Banken, Sparkassen, genossenschaftliche Institute – ist stabil. Und dafür sorgen wir auch weiter.»
Die Schweizer Notenbank gewährt der Credit Suisse die Milliarden-Kredite nicht einfach so. Die Kreditlinie sei vollständig mit erstklassigen Vermögenswerten besichert, schrieb die Bank in ihrer Mitteilung. Sie bezeichnete die Schritte als «entschlossene Maßnahmen zur präventiven Stärkung» der Liquidität. Außerdem kündigte die Credit Suisse den Rückkauf bestimmter Euro- und Dollar-Anleihen im Volumen von drei Milliarden Franken an.
Am Mittwochabend hatten die SNB und Schweizer Finanzmarktaufsicht Finma mitgeteilt, dass die Credit Suisse bei Kapitaldecke und Liquidität die erhöhten Anforderungen für systemrelevante Banken erfülle. So verfügte die Bank Ende 2022 über eine harte Eigenkapitalquote von 14,1 Prozent und lag damit deutlich über der Mindestanforderung. Auch gehe von den jüngsten Problemen bestimmter Banken in den USA keine direkte Ansteckungsgefahr für den Schweizer Finanzmarkt aus, hieß es.
Branchenvertreter bleiben kritisch
Experten werteten die Unterstützung durch die Notenbank zwar positiv. Aber auch mit dem Kredit der SNB werde die Credit Suisse alle ihre Probleme in einer Woche nicht gelöst haben, erklärte Sergio Rossi, Professor für Makroökonomie und Geldwirtschaft an der Universität Freiburg. Die Großbank sei mit einem Vertrauensverlust konfrontiert.
Der Bankenanalyst Kian Abouhossein von der US-Bank JPMorgan attestierte der Credit Suisse ein anhaltendes Vertrauensproblem mit Blick auf ihre Investmentbank. Hinzu kämen Sorgen wegen anhaltender Mittelabflüsse. Das Kapitalpolster ist aus seiner Sicht kein Problem.
Die Credit Suisse wurde 1856 gegründet und hat nach eigenen Angaben mehr als 50.000 Angestellte. Sie ist die zweitgrößte Bank der Schweiz hinter der UBS und steckt schon länger in der Krise. 2021 hatte sie wegen der Pleite des Hedgefonds Archegos und des Kollapses der Lieferketten-Fonds des Finanzkonglomerats Greensill Milliarden verloren. Im vergangenen Jahr wuchs der Fehlbetrag auch wegen riskanter Geschäfte im Investmentbanking auf 7,3 Milliarden Franken. Nur in der Finanzkrise von 2008 war das Minus noch höher ausgefallen.
Gerüchte über eine mögliche finanzielle Schieflage der Bank hatten 2022 reale Folgen für das laufende Geschäft: So zogen Kunden netto mehr als 123 Milliarden Franken von der Credit Suisse ab, vor allem im vierten Quartal. Zuletzt rügte die Aufsicht außerdem das Risikomanagement und Teile der Finanzberichterstattung des Konzerns.