Die Tage vor Ostern gehören im deutschen Lebensmittelhandel traditionell zu den umsatzstärksten des Jahres: Mit voll gepackten Einkaufswagen und langen Schlangen an den Kassen.
Die von Bund und Ländern geplante Schließung der Lebensmittelgeschäfte am Gründonnerstag stößt deshalb im Handel auf Unverständnis. Die Branche befürchtet dadurch nur noch mehr Andrang und noch mehr Schlangen an den verbleibenden Einkaufstagen vor dem Fest – besonders am Mittwoch und Samstag.
«In der Kalenderwoche vor Ostern ist die Kundenzahl erfahrungsgemäß sehr hoch. Eine zusätzliche Schließung des Lebensmitteleinzelhandels am Gründonnerstag wird aus unserer Sicht nicht zu der erhofften Entzerrung der Einkaufstätigkeiten führen, sondern eher zu einer Verdichtung der Einkäufe in der ersten Wochenhälfte sowie am Ostersamstag», warnte etwa der Discounter Aldi-Süd.
Noch härter fiel das Urteil der Drogeriemarktkette Rossmann aus, die nach den Beschlüssen von Bund und Ländern wohl auch am Karsamstag nicht öffnen darf. «Die Politik hat sich mit diesem Beschluss leider von der Lebensrealität der Menschen entfernt. Wir sehen mit großer Sorge auf die kommende Woche und erwarten einen Kundenansturm, der sowohl für unsere Kundinnen und Kunden als auch unsere Mitarbeitenden zu einer enormen Herausforderung werden dürfte», sagte der Geschäftsführer der Drogeriemarktkette Rossmann, Raoul Roßmann. Die Auswirkungen auf das Pandemiegeschehen würden letztlich eher negativ sein.
Auch der Handelsverband Deutschland (HDE) bewertete die Maßnahmen als kontraproduktiv. «Den Lebensmittelhandel mit seinen nachweislich hervorragend funktionierenden Hygienekonzepten symbolisch für einen Tag zuzumachen, hilft im Kampf gegen die Pandemie nicht weiter», erklärte der HDE-Hauptgeschäftsführer, Stefan Genth. «Bund und Länder agieren nur noch im Tunnelmodus», klagte Genth. Sie konzentrierten sich auf Infektionszahlen, nicht aber auf die tatsächliche Infektionsgefahr beim Einkaufen. Diese sei gering.
Die überraschenden Pläne von Bund und Ländern für «Ruhetage» rund um Ostern sind für den Handel aber nicht nur wegen des erwarteten Kundenandrangs eine Herausforderung. Innerhalb weniger Tage müssen nun auch die Lieferungen in die Läden neu getaktet werden, wie der Sprecher des Handelsverbandes Lebensmittel, Christian Böttcher, erklärte. Schließlich dürfte in der Karwoche nun von Montag bis Mittwoch deutlich mehr Ware über die Ladentheken gehen als bislang erwartet. Und trotz der von Bund und Ländern geplanten «Ruhetage» rund um Ostern muss auch sichergestellt werden, dass auch am Karsamstag und am Dienstag nach dem Fest genug Ware in den Regalen liegt.
Doch Rewe-Sprecher Martin Brüning zeigte sich zuversichtlich, dass diese Probleme beherrschbar sind. «Die Kunden können sich darauf verlassen, dass die Warenversorgung gesichert ist und am Ostersamstag ein sicherer Einkauf unter Einhaltung der Hygieneregeln möglich sein wird», sagte er. Fast gleichlautend äußerte sich Deutschlands größter Lebensmittelhändler Edeka. Auch Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) erklärte: «Es besteht kein Anlass zur Sorge. Die Lebensmittelversorgung wird auch an Ostern 2021 gesichert sein.»
Branchensprecher Böttcher empfahl den Kunden, sich möglichst bald Gedanken über den Ostereinkauf zu machen und möglichst einen Einkaufszettel anzulegen. Getränke und haltbare Produkte sollten möglichst früh gekauft werden. In die Läden solle man möglichst alleine gehen und zügig einkaufen. Dann seien weniger Menschen im Markt. «Man tut sich selbst einen Gefallen, wenn man die Ostereinkäufe entzerrt – und hilft auch den anderen», meinte er.
Auf Unverständnis stießen die Pläne von Bund und Ländern beim wirtschaftspolitischen Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Reinhard Houben. «Die Schließung des Lebensmittelhandels am Gründonnerstag klingt eher wie ein schlechter Aprilscherz als ein ernst gemeinter Versuch, das Infektionsgeschehen einzudämmen», meinte er.
Aber auch abseits des Lebensmittelhandels gab es vehemente Kritik an der Strategie von Bund und Ländern im Kampf gegen die Pandemie. Der Chef des Modeherstellers s.Oliver, Claus-Dietrich Lahrs, meinte: «Dass wir jetzt in einigen Regionen wieder höhere Belegungen bei den Intensivbetten haben, kann kein Grund sein den textilen Handel wieder flächendeckend lahm zu legen. Hier stehen viele Arbeitsplätze auf dem Spiel.» Der Handel sei mit seinen Hygienekonzepten in der Lage, ein sicheres Einkaufen zu gewährleisten. «Deshalb müssen wir endlich lernen mit dem Corona-Virus zu leben anstatt jedes Mal den Handel herunterzufahren, wenn wir mit höheren Inzidenzwerten konfrontiert sind.»
Der Hauptgeschäftsführer des Gesamtverbandes der deutschen Textil- und Modeindustrie, Uwe Mazura, klagte: «Mit diesen Beschlüssen sind wir nun endgültig im freien Fall.»