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Chinas globaler Lithium-Feldzug – Risiken für Deutschland

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Jun 19, 2023
Ein Arbeiter rührt Lithium mit der Hand in einer Verarbeitungsanlage in Antofagasta in Chile. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Rodrigo Abd/AP/dpa)

China treibt weltweit einen Feldzug zur Sicherung von Lithium voran – mit großen Risiken für Deutschland und Europa. Mit dem Boom von Elektroautos und dem rasant steigenden Bedarf an Batterien gibt es ein globales Wettrennen um das Leichtmetall, das für die Zukunft der E-Mobilität unverzichtbar ist.

Chinesische Unternehmen investieren Milliarden in Ländern Lateinamerikas oder Afrikas, um sich Vorkommen zu sichern. Bis 2025 könnte China nach den Erwartungen von Experten rund ein Drittel der weltweiten Lithium-Versorgung kontrollieren.

Die Offensive hatte Staats- und Parteichef Xi Jinping vor drei Jahren vorgegeben: «Wir müssen die Abhängigkeit internationaler Lieferketten von China verstärken und wirksame Gegenmaßnahmen und Abschreckungsmöglichkeiten gegen Ausländer schaffen, die die Versorgung nach China künstlich unterbrechen wollen.»

Großes Risiko

Angesichts des aggressiven Vorgehens fordert der Kieler Wirtschaftsprofessor Tobias Heidland eine stärkere Diversifizierung der deutschen Industrie. «Die Abhängigkeit von China beim Lithium ist ein großes Risiko für deutsche Unternehmen», sagt der Direktor des Forschungszentrums Internationale Entwicklung am Wirtschaftsforschungsinstitut IfW. «Sollte es zu größeren Spannungen kommen, könnten sie den Zugang zu entscheidenden Zwischenprodukten verlieren.»

Auch EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen warnte in einer China-Rede Ende März vor allzu großer Abhängigkeit bei Rohstoffen von der Volksrepublik – besonders im Falle politischer Streitigkeiten mit Peking. Immerhin beziehe die EU ihr Lithium zu 97 Prozent aus China. «Batterien, die unsere Elektroautos antreiben, werden den Bedarf an Lithium bis 2050 um das 17-fache steigen lassen», sagte von der Leyen.

«Weniger Vorträge über Umweltbelastungen»

Ein Wettbewerbsvorteil chinesischer Investitionen in Ländern in Südamerika und Afrika ist, dass sie meist geringere Anforderungen an Umwelt- und Menschenrechtsstandards als etwa europäische Firmen stellen. «Die Regierungen wissen, dass sie durch die Zusammenarbeit mit chinesischen Unternehmen nicht das gleiche Qualitätsniveau erreichen – aber sie bereitet ihnen auch weniger Kopfschmerzen, es gibt weniger Vorschriften, weniger Vorträge über Umweltbelastungen und weniger Beschwerden von Nichtregierungsorganisationen», sagte Ryan Berg vom US-Zentrum für Strategische und Internationale Studien der Fachzeitschrift «Foreign Policy».

Die Länder im Süden sind auf ausländische Investitionen angewiesen. Allerdings wollen sie nicht die Fehler früherer Rohstoff-Booms wiederholen und große Teile der Wertschöpfungskette aus den Händen geben. Mexikos Präsident Andrés Manuel López Obrador und der bolivianische Staatschef Luis Arce regten die Gründung eines Lithium-Kartells nach dem Vorbild der Opec an. «Wir sollten in dem Markt geschlossen und souverän auftreten und Preise aufrufen, von denen unsere Volkswirtschaften profitieren», sagte Arce.

Vermeidung von Umweltschäden ist teuer

Chancen für deutsche Unternehmen sieht Wirtschaftswissenschaftler Heidland besonders in Ländern, die bei der Förderung auf Umwelt und Nachhaltigkeit achten wollen. «Die Lithiumproduktion verursacht starke Umweltschäden oder man muss sehr viel Geld in die Hand nehmen, um dies zu vermeiden. Und das treibt wiederum die Preise in die Höhe. Das ist eine schwierige Situation für deutsche Unternehmen, sich in Ländern zu engagieren, wo darauf kein Wert gelegt wird. Da wird man sicherlich nicht mit den chinesischen Ansätzen konkurrieren können», sagt Heidland. «Auf der anderen Seite bietet sich für deutsche Unternehmen die Chance, in Ländern zu punkten, die bewusst auf Nachhaltigkeit achten wollen. Da können deutsche Firmen mit ihrer Erfahrung in dem Bereich ein attraktives Angebot machen.»

Auch Afrika steht im Fokus der chinesischen Bemühungen: Simbabwe, die Demokratische Republik Kongo, Ghana, Namibia und Mali verfügen nach Angaben der Geologischen Gesellschaft der USA zusammen über 4,38 Millionen Tonnen Lithium. Bislang produzieren afrikanische Länder zwar nur 40.000 Tonnen im Jahr – doch wird bis 2030 ein Anstieg auf 500.000 Tonnen erwartet, mit Simbabwe als Kernanbieter.

Chinesische Investoren haben auch hier schnell gehandelt: Simbabwes größte Lithium-Mine Bikita ist in den Händen des Großkonzerns Sinomine. Das chinesische Unternehmen Zhejiang Huayou Cobalt besitzt Kontrollrechte für Simbabwes zweitgrößte Lithium-Grube, Arcadia.

Mehr Wertschöpfung vor Ort

«Chinesische Investoren haben in den letzten drei Jahren schätzungsweise zehn Milliarden US-Dollar oder mehr in Lithiumprojekte in Simbabwe investiert oder verplant», sagt Clinton Pavlovic, Analyst der internationalen Großkanzlei Hogan Lovells. Da Simbabwe auch reiche Vorkommen an anderen für die Entwicklung von E-Fahrzeugen notwendigen Rohstoffen habe, etwa Kobalt, Mangan, Nickel und Graphit, sei das Land umso interessanter für Investoren. Das ändere sich auch nicht durch Simbabwes im Dezember erlassenes Exportverbot für Roh-Lithium – von dem ausländische Unternehmen, die schon vor Ort sind, allerdings ausgenommen sind.

Andere Länder Afrikas wollen Investoren ebenso verpflichten, Rohstoffe vor Ort zu verarbeiten, um einen größeren Anteil der Gewinne im Land zu behalten. Auch in Nigeria kontrolliert China bereits das Spielfeld. Im Januar legte die Firma Ming Xin Mineral Separation Nig den Grundstein für den Bau der ersten Lithium-Verarbeitungsanlage des westafrikanischen Landes. Die Entscheidung, das Angebot an die chinesische Firma zu vergeben, fiel nur wenige Monate nachdem Nigeria ein Gesuch des US-Autobauers Tesla abgelehnt hatte, weil es nur am Export von Roh-Lithium interessiert gewesen sei.

Von Kristin Palitza, Denis Düttmann und Andreas Landwehr, dpa