Auf Immobilienverkäufer könnten strengere Pflichten zur Aufklärung etwa über mögliche Sanierungskosten zukommen. Der Bundesgerichtshof (BGH) verhandelte am Freitag über einen Fall aus Hannover und hinterfragte ein Urteil des Oberlandesgerichts Celle, das die Verantwortung vor allem bei der Käuferin gesehen hatte. Zwar sei grundsätzlich jeder selbst verantwortlich, sich nötige Informationen zu beschaffen, sagte die Vorsitzende Richterin am BGH, Bettina Brückner. Details seien aber zu prüfen.
Ein Urteil will der Senat am 15. September in Karlsruhe sprechen. Womöglich muss das Gericht in Celle auch nochmal dazu verhandeln. Der Immobilienverband Deutschland IVD geht davon aus, dass die Entscheidung generell für alle Ankaufsuntersuchungen relevant ist.
Muss man auf besondere Dinge deutlich hinweisen?
Unter anderem ging es bei der Verhandlung darum, dass die Verkäuferin Unterlagen in einen virtuellen Datenraum gestellt hatte. Doch konnte sie sich darauf verlassen, dass Interessenten diese selbstständig prüfen? Oder muss man auf besondere Dinge deutlich hinweisen? Auch könnte es laut Brückner einen Unterschied machen, ob die Unterlagen als Sachverständigengutachten gedacht sind, in denen man gezielt nach Mängeln sucht, oder zu Finanzierungsfragen an eine Bank gehen sollen.
Der BGH-Anwalt der Käuferin sagte, der Verkäufer müsse in einem solchen Datenraum von vornherein ein umfassendes Bild vermitteln. Wenn etwas nachgeschoben wird, müsse er darauf hinweisen.
Im konkreten Fall geht es um den Kauf mehrerer Gewerbeeinheiten in einem großen Gebäudekomplex für mehr als 1,5 Millionen Euro. Die Klägerin – eine Firma – fühlt sich arglistig getäuscht, weil sie zu spät davon erfahren habe, dass hohe Kosten für die Instandhaltung des Gemeinschaftseigentums auf sie zukommen könnten. Das Protokoll zu einer wichtigen Eigentümerversammlung stellte die Verkäuferin drei Tage vor Vertragsabschluss in den Datenraum. Aus Sicht der Klägerin geschah das «klammheimlich» und wurde ihr somit «untergeschoben».
Bis zu 50 Millionen Euro waren für den Umbau angesetzt. Weil die Mehrheitseignerin nicht zahlen wollte, landete der Fall vor Gericht. Das Verfahren endete im Januar 2020 mit einem Vergleich, demzufolge von den Eigentümern der Gewerbeeinheiten eine Sonderumlage erhoben werden sollte. Daraufhin focht die Klägerin den Kaufvertrag an.
«Strammes Verschulden gegen sich selbst»
In diesem hatte die Verkäuferin unter anderem versichert, dass mit einer Ausnahme keine Sonderumlagen beschlossen worden seien. Weiter hieß es darin, die Verkäuferin habe der Käuferin Protokolle der Eigentümerversammlungen der vergangenen drei Jahre übergeben, und die Käuferin kenne den Inhalt der Unterlagen.
Der BGH-Anwalt der Verkäuferin sagte, die Käuferin habe den Vertragstext elf Tage vor Unterzeichnung gekannt. Wenn sie dann keine Nachfragen stelle, sei das «strammes Verschulden gegen sich selbst». Der Käufer müsse sorgfältig schauen, welche Informationen er braucht und hat. Wer die betroffene Immobilie – das Ihme-Zentrum im Stadtteil Linden – sehe, erkenne den seit Jahren aufgelaufenen Sanierungsstau.
Das Oberlandesgericht Celle hatte geurteilt, bis zum Vertragsschluss sei keine Sonderumlage beschlossen worden – insofern habe die Verkäuferin keine falschen Angaben gemacht. Auch das will der BGH – neben der Vollständigkeit der Unterlagen – überprüfen.
Laut dem Immobilienverband IVD findet eine Ankaufsuntersuchung – auch Due-Diligence-Prüfung genannt – praktisch immer statt. «Jeder Käufer prüft vor einem Kauf, ob das Objekt den Erwartungen entspricht», erklärte der stellvertretende IVD-Bundesgeschäftsführer, Christian Osthus. In der Regel erfolge das aber nicht organisiert oder über Dritte. «Das ist tatsächlich nur bei größeren Transaktionen der Fall oder wenn es der Gepflogenheit des Käufers entspricht.»