Vormittags noch ein Personalgespräch führen, nachmittags dann die Kinder von der Kita holen: Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf spielt auch in Führungspositionen eine immer größere Rolle. Jobtandems, Vertretermodelle oder Teilzeitlösungen haben mittlerweile einen festen Platz in der Personalplanung großer Unternehmen. Und sie greifen ein uraltes Klischee an, nämlich: Wer Karriere machen will, muss seinen Job dem Privatleben unterordnen, immer erreichbar sein und Überstunden schieben. Doch bis dieses Klischee komplett widerlegt ist, ist es noch ein langer Weg.
Dass das mit der geteilten Führung wirklich funktionieren kann, zeigt vielleicht dieser Name: «Insa». So werden Ina Skultety und Isabell Kormos in internen Meetings genannt, wie die beiden Führungskräfte der Bosch-Werkzeugsparte Power Tools erzählen. «Für die anderen sind wir nach außen ein und dieselbe Person. Wir haben uns keine Themen aufgeteilt, sondern jede ist zu allem sprechfähig.» Das heiße auch: Eine Mailadresse, ein Kalender – und eine Verantwortung.
Vielerorts verbreitet
Nicht nur bei Bosch, wo inzwischen laut Unternehmen 1500 Führungskräfte in Teilzeit arbeiten, sondern auch in vielen anderen großen Firmen sind solche Modelle verbreitet. So teilen sich beim Großteil der Dax-Konzerne inzwischen Menschen Führungspositionen, wie eine Umfrage der Deutschen Presse-Agentur ergab. Bei Mercedes-Benz sind es 420 Führungskräfte, die Stellen von der Teamleitungs- bis zur Bereichsleitungsebene im Tandem ausfüllen, bei Daimler Truck sind es 100 Tandems. Bei Porsche arbeiten 20 Tandems bis hoch zur zweiten Führungsebene.
In anderen Firmen wird in der Praxis demnach eher die Arbeitszeit reduziert. Der Anteil der Führungspositionen in Teilzeit hielt sich dort, wo es erhoben wurde, aber in Grenzen und bewegte sich eher im einstelligen Prozentbereich.
«Wir sehen, dass die Anzahl von Teilzeitverhältnissen in der Führung zunimmt. Aber mit Sicherheit ist das immer noch die Ausnahme», sagt etwa die Personal-Expertin Petra Kneip von der Hochschule Reutlingen. «Erst wenn es eine strukturelle Veränderung gibt, und nicht nur Einzellösungen für beispielsweise zwei Frauen, die gerade aus der Elternzeit zurückkommen, kann man von Normalität sprechen.» Außerdem müsse das Thema dafür raus aus der Frauen- und Mütterecke.
Mit Teilzeitoption
Bei der Deutschen Bank etwa werden schon bei Ausschreibungen Tandem-fähige Jobs als solche markiert. Siemens oder Eon schreiben Managementpositionen mit einer Teilzeitoption aus. Bei anderen Unternehmen handelt es sich noch um individuell gestrickte Lösungen.
Auch Ina Skultety und Isabell Kormos wollten nach ihrer Elternzeit wieder in Führungsverantwortung. Beide erzählen, dass sie sich nach der Auszeit zunächst in Projektrollen wiedergefunden hätten. «Und das Jobsharing war der Schritt zurück in die direkte Führung», so Skultety. Denn für beide sei klar gewesen: Vollzeit kommt mit der Familie für die persönliche Lebensplanung aktuell nicht infrage.
Also bewarben sie sich gemeinsam auf eine Stelle und verantworten nun die Logistikprozesse für die weltweit über 20 Produktionswerke von Bosch Power Tools und ein Team von rund 40 Menschen. Beide arbeiten zu je 65 Prozent.
Dafür seien klare Regeln unerlässlich. «Wir haben ganz klar gesagt: Eine trifft die Entscheidungen, wenn es kleinere Themen gibt, und die andere macht direkt weiter», sagt Kormos. Die andere könne dann dafür im Urlaub das Handy abschalten. Das bedeute letztlich aber auch, dass beide in der Verantwortung seien – auch wenn etwas mal nicht rund läuft. Bisher sei das aber nicht vorgekommen.
Zufriedene Mitarbeiter
Doch lohnen sich solche Modelle auch für Firmen? Generell sei es schwierig nachzuweisen, ob Produktivitätsgewinne nicht auch andere Gründe haben könnten, erklärt Expertin Kneip. Dazu gebe es noch wenig empirische Forschung. «Die Leute sind aber oft zufriedener und können ihre Karriere fortsetzen. Das ist auf jeden Fall ein großer Bindungs- und Attraktivitätsfaktor. Den in Euro zu bewerten, ist extrem schwierig.» Dazu komme, dass Investoren vermehrt nach «weichen» Kennzahlen Ausschau hielten. So fänden auch ohne rechtliche Verpflichtung zunehmend Informationen zu Arbeitsbedingungen und Diversität Eingang in die Nachhaltigkeitsberichte der Unternehmen.
Generell sei Führung in Teilzeit keine Frage der Größe, sondern eine Frage der Kultur und der konkreten Jobanforderungen. «Ich glaube sogar, dass es in kleinen Unternehmen mit flachen Strukturen wahrscheinlich einfacher ist, solche Lösungen zu etablieren als in den großen», so Kneip.
Und: Je höher man komme, desto schwieriger werde es, Verantwortung zu teilen. «Sie werden nicht CEO, weil Sie gerne Work-Life-Balance hätten.» In solchen Positionen könne man beispielsweise nicht die Aktionärsversammlung auslassen, weil man sich um die Kinder kümmern müsse. Auch einigen der befragten Dax-Konzerne berichten, dass die Nachfrage nach Teilzeit abnehme, je höher es in der Hierarchie gehe.
Aber generell gelte, so Kneip: «Wir wollen Führungskräfte, die sich selbst auch gut führen können, die auf ihre eigene Gesundheit schauen. Die haben dann überhaupt erst die Energie, die Menschen mitzureißen und eine Richtung vorzugeben. Und das ist der Kern der Führung.»