Das Bundeskartellamt geht weiter davon aus, dass der Energiekonzern RWE auf dem Stromerzeugungsmarkt marktbeherrschend ist. Dies geht aus der neuesten Analyse der Wettbewerbsverhältnisse bei der Stromerzeugung, dem sogenannten Marktmachtbericht, hervor. Demnach war RWE im Untersuchungszeitraum Oktober 2021 bis März 2023 weiter der größte Stromerzeuger in Deutschland.
«RWE ist in einer Vielzahl von Stunden unverzichtbar für die Deckung der Stromnachfrage in Deutschland», erklärte Behördenpräsident Andreas Mundt am Mittwoch. Das Unternehmen liege damit «klar über der sogenannten Vermutungsschwelle für Marktbeherrschung». Die Energiekonzerne EnBW aus Baden-Württemberg und Leag aus Brandenburg seien im Untersuchungszeitraum nahe an diese Schwelle herangerückt.
RWE teilt die Bewertung nicht
RWE hob hervor, man teile die Bewertung des Kartellamts nicht. «RWE ist für die Umstände und das Marktumfeld, die eine angeblich erlangte marktbeherrschende Stellung begründen sollen, nicht verantwortlich», teilte der Konzern mit. Man habe keine neuen konventionellen Kraftwerkskapazitäten errichtet.
Vielmehr seien seit 2020 aufgrund gesetzlicher Vorgaben weitere Kernkraft- und Kohlekraftwerke stillgelegt worden. Im untersuchten Zeitraum habe es Sondereffekte gegeben, etwa die Aktivierung dreier Kraftwerksblöcke aus der Sicherheitsbereitschaft im Herbst angesichts der befürchteten Energiekrise.
Mit dem Bericht stelle das Kartellamt zwar eine marktbeherrschende Stellung nicht förmlich fest, betonte Mundt. «Eine solche Feststellung kann letztlich nur im Rahmen einer konkreten Einzelfallentscheidung erfolgen.» Das Überschreiten der Vermutungsschwelle sei für die Unternehmen, konkret für RWE, aber ein «starkes Indiz» dafür, dass sie mit ihrem Marktverhalten das Missbrauchsverbot beachten müssten. «Die künstliche Verknappung des Stromangebots wäre damit kartellrechtlich hochproblematisch.» RWE betreibt in Deutschland unter anderem mehrere Braunkohle- und Erdgaskraftwerke. Im Untersuchungszeitraum kam noch Stromerzeugung aus inzwischen abgeschalteten Atomkraftwerken hinzu.
Für die wettbewerbliche Bedeutung sei ausschlaggebend, ob und inwieweit ein Anbieter für die Stromnachfrage unverzichtbar sei, erläuterte die Behörde. Ist die Nachfrage hoch und das Angebot knapp – zum Beispiel wenn die Sonne nicht scheint und der Wind nicht weht – könnten unverzichtbare Anbieter in diesen Momenten den Preis manipulieren. Daher bemesse sich die Marktmacht im Strombereich danach, in wie vielen Stunden im Jahr ein Unternehmen unverzichtbar sei, um die Nachfrage zu decken.
Auch Stromimporte untersucht
Für Stromerzeuger habe eine marktbeherrschende Stellung entscheidende Konsequenzen, erklärte das Kartellamt. «Insbesondere dürfen sie keine Erzeugungskapazitäten künstlich zurückhalten, weil sie dadurch in Knappheitsmomenten manipulativ den Preis in die Höhe treiben könnten. Das wäre missbräuchlich.» Nach Angaben eines Behördensprechers gibt es jedoch keinen Hinweis darauf, dass RWE seine Marktmacht im Untersuchungszeitraum missbraucht haben könnte.
Das Kartellamt untersuchte auch den Einfluss von Stromimporten. Das Fazit des Behördenchefs: «Stromimporte werden perspektivisch zunehmend unverzichtbar, um die Marktmacht der führenden inländischen Anbieter wettbewerblich in Schach zu halten.» Ausländische Erzeugungskapazitäten seien vor allem dann wichtig, wenn die inländische Stromerzeugung aus Wind und Sonne gering sei, die Stromnachfrage aber gleichzeitig hoch. «Ohne ausreichende Stromimporte in solchen Momenten der Knappheit wäre die Marktmacht inländischer Stromerzeuger noch stärker ausgeprägt.»