Bahnreisende zwischen Hamburg und Hannover müssen voraussichtlich länger auf eine umfassende Sanierung der vielbefahrenen Strecke warten. Der niedersächsische Verkehrsminister Olaf Lies sagte, der Bahnbeauftragte des Bundes, Michael Theurer, habe vorgeschlagen, die für 2026 geplante Generalsanierung auf 2029 zu verschieben. Daraufhin habe das Land dem Bund Vorschläge unterbreitet, wie man dieses neue Zeitfenster am besten nutzen könne. Das Ziel sei es, «schnellstmöglich mehr Kapazität auf der Schiene» zu schaffen, sagte der SPD-Politiker.
Vor allem gehe es dabei um das Ausbauprojekt Alpha E, den Lärmschutz und die Planungsbeschleunigung. «Und alles, was nicht in den sechs Monaten der Vollsperrung umsetzbar ist, kann dennoch soweit wie möglich vorbereitet werden», sagte Lies. Einen Neubau, den die Bahn favorisierte, halte er für unrealistisch. Ganz vom Tisch ist diese Variante aber nicht.
Bund: Generalsanierung und Neubau
Zumal vor allem der Bund diese Option nicht ausschließt. Das Bundesverkehrsministerium hielt am Mittwoch an der eigenen Sichtweise fest, wonach die auf 2029 verschobene erweiterte Generalsanierung des Korridors für die Umsetzung des Deutschlandtakts nicht ausreiche. Mit dem langfristigen Projekt sollen Züge alle 30 Minuten die großen Städte anfahren. Es geht auch um eine bessere Verzahnung des Fern- und Regionalverkehrs.
Zwar brächte diese Variante zusätzliche Kapazitäten, die kurzfristig Verbesserungen für die Fahrgäste mit sich bringen könnten, sagte ein Ministeriumssprecher. «Entscheidend ist aber die Frage der künftig nötigen Kapazität, um die ambitionierten Verlagerungs- und Klimaschutzziele zu erreichen.»
Antworten darauf, wie diese Kapazitäten erreicht werden könnten, sollten im Dialog mit Land, Kommunen und Bürgern erarbeitet werden. Somit gilt ein Neubau weiter als Variante. Die Hamburger Verkehrsbehörde erklärte, unabhängig vom Trassenverlauf müsse eine möglichst rasche Umsetzung des Deutschlandtakts im Vordergrund stehen.
Fahrzeit soll schrumpfen
Nach Angaben der Bahn könnte ein Neubau die Fahrtzeit zwischen Hamburg und Hannover auf 59 Minuten reduzieren – etwa eine Viertelstunde weniger als jetzt. Viele Anwohner befürchten aber, von den Arbeiten dafür betroffen zu sein. Zuerst hatte die «Frankfurter Allgemeine Zeitung» über den sich nun anbahnenden Kompromiss berichtet.
Die Bahn kündigte an, sie werde umgehend das Gespräch mit dem Bundesverkehrsministerium und Niedersachsen suchen. «Wir begrüßen, dass endlich Bewegung in die seit Jahren festgefahrene Diskussion über die erforderliche Ertüchtigung der bestehenden Schieneninfrastruktur und den dringend notwendigen Ausbau der Kapazitäten auf der Schiene in Niedersachsen gekommen ist», teilte die für Infrastrukturprojekte zuständige Managerin bei der Bahntochter DB Netz, Ingrid Felipe, mit.
Der Hamburger CDU-Bundestagsabgeordnete Christoph Ploß forderte die Bundesregierung auf, am Deutschlandtakt festzuhalten. «Besonders der SPD scheinen die lokalen Partikularinteressen von Lars Klingbeil bisher wichtiger gewesen zu sein als der Klimaschutz und leistungsfähige Bahnstrecken – so darf es nicht weitergehen», sagte der Unionsobmann im Verkehrsausschuss des Bundestages. SPD-Chef Klingbeil, durch dessen Wahlkreis eine Neubaustrecke führen würde, hatte sich gegen einen Neubau ausgesprochen.
Ähnlich äußerte sich die stellvertretende Fraktionschefin der Grünen im Bundestag, Julia Verlinden: «Die angekündigte Generalsanierung auf der Bestandsstrecke darf nicht auf die lange Bank geschoben werden.»
Niedersachsen: Deutschlandtakt auch mit Ausbau
Aus niedersächsischer Sicht ist ein Deutschlandtakt allerdings auch mit einem Ausbau möglich, wie das dortige Verkehrsministerium betonte. Mit welcher Geschwindigkeit man beispielsweise zwischen Hamburg und Hannover unterwegs sein werde, spiele eine nachgelagerte Rolle.
Der Interessenverband Allianz pro Schiene forderte, es dürfe nicht bei einem Ausbau bleiben. «Klar ist: Der Ausbau der Bestandsstrecke kann die Kapazitätsengpässe nur mildern, aber nicht auflösen», sagte Verbandsgeschäftsführer Dirk Flege. «Jede weitere Verzögerung beim Neubau der Strecke Hannover-Hamburg wäre also Gift nicht nur für den Deutschlandtakt, sondern auch für den wachsenden Güterverkehr zum Hamburger Hafen.»