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EU-Lieferkettengesetz soll Menschenrechte weltweit stärken

Goldverarbeitungsanlage in der Region Brong-Ahafo in Ghana: Zwei kleine Jungen waschen das Erz, um es vom Schlamm zu trennen. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Kristin Palitza/dpa)

Unterhändler des Europaparlaments und der EU-Staaten haben sich auf ein Lieferkettengesetz geeinigt. Damit sollen große Unternehmen zur Rechenschaft gezogen werden, wenn sie etwa von Kinder- oder Zwangsarbeit außerhalb der EU profitieren, wie aus Mitteilungen des Europaparlaments und der EU-Staaten hervorgeht.

Größere Unternehmen müssen zudem einen Plan erstellen, der sicherstellt, dass ihr Geschäftsmodell und ihre Strategie mit dem Pariser Abkommen zum Klimawandel vereinbar sind, wie die EU-Staaten mitteilten.

Unternehmen sind nach den geplanten Regeln den Angaben zufolge für ihre Geschäftskette, also auch Geschäftspartner des Unternehmens und teilweise auch für nachgelagerten Tätigkeiten wie Vertrieb oder Recycling verantwortlich. Der Finanzsektor soll zunächst von den Vorgaben ausgeschlossen werden. Grundsätzlich gelten die Regeln für Firmen mit mehr als 500 Beschäftigten und mindestens 150 Millionen Euro Umsatz. Firmen, die nicht in der EU sitzen, fallen unter das Gesetz, wenn sie in der EU einen Umsatz von mehr als 300 Millionen Euro machen. Die EU-Kommission soll eine Liste der betroffenen Nicht-EU-Unternehmen veröffentlichen.

Vorgesehen ist auch, dass Unternehmen vor europäischen Gerichten zur Rechenschaft gezogen werden können, wenn es in ihren Lieferketten zu Verstößen gegen Menschenrechte kommt. Die Einigung muss vom Parlament und den EU-Staaten noch bestätigt werden, das ist normalerweise aber Formsache. Die Europaabgeordnete Svenja Hahn stellte jedoch in Frage, ob das in diesem Fall geschehen wird. Entscheidende Punkte seien in den nächtlichen Verhandlungen nicht besprochen worden, so die FDP-Politikerin.

Deutschland muss nachschärfen

Die Vorsitzende des Binnenmarktausschusses im EU-Parlament, Anna Cavazzini, sprach zwar von einem guten Tag für die Menschenrechte, sie hätte sich aber noch strengere Regeln für Klima- und Umweltschutz gewünscht. Die Grünen-Politikerin betonte auch, dass das EU-Lieferkettengesetz über das deutsche Gesetz hinaus gehe. So müssten in Zukunft mehr Unternehmen über ihre gesamte Lieferkette hinweg Risiken erfassen. Das EU-Lieferkettengesetz ist eine sogenannte Richtlinie, die die Bundesregierung noch in nationales Recht umsetzen muss, in Deutschland gilt seit Jahresbeginn bereits ein Lieferkettengesetz.

Der Europarechtsprofessor und SPD-Europaabgeordnete René Repasi wies darauf hin, dass mit dem Gesetz deutsche Unternehmen für Sorgfaltspflichtverletzungen haftbar seien, was bislang im deutschen Lieferkettengesetz ausgeschlossen sei. So könnten Unternehmen zivilrechtlich zur Verantwortung gezogen und beispielsweise Schadenersatzansprüche geltend gemacht werden.

Vehemente Kritik aus der Wirtschaft

Wirtschaftsverbände befürchten zu großen Bürokratieaufwand für Unternehmen und dadurch einen Wettbewerbsnachteil gegenüber Firmen aus Drittstaaten, die nicht von den Regeln betroffen sind. Nach der Einigung teilte Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger mit: «Das Ergebnis ist ein übereilter und handwerklich schlecht gemachter Kompromiss.» DIHK-Hauptgeschäftsführer Achim Dercks sagte, die Regelungen seien weder praxistauglich noch verhältnismäßig. Der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbauer bezeichnete das Vorhaben als den «nächsten Sargnagel für die internationale Wettbewerbsfähigkeit».

Ähnliche Kritik kommt auch aus Reihen der Liberalen. Die Europaabgeordnete Hahn sieht eine Bürokratiewalze auf Firmen zurollen. Auch aus der Union kommt Kritik. Die Vorsitzenden der CDU/CSU-Gruppe im EU-Parlament, Daniel Caspary und Angelika Niebler, befürchten, dass sich Unternehmen wegen der Vorgaben etwa aus Afrika zurückziehen könnten und ausländische Firmen beispielsweise aus China diese Lücke füllen könnten.

Wissenschaftlerin sieht Gesetz als historischen Paukenschlag

Die Forscherin Sarah Jastram von der Hamburg School of Business Administration bezeichnete die Einigung als historischen Moment und Paukenschlag der europäischen Menschenrechtsregulierung. «Dies ist die weitreichendste ökonomische Menschenrechtsregulierung weltweit», so die Professorin. Clara Brandi, Professorin an der Uni Bonn, teilte nach der Einigung mit, das Gesetz habe einige Schwächen und Lücken. «Mit Blick auf den Klimaschutz hätte das Gesetz ambitionierter ausfallen können», so die Wirtschaftswissenschaftlerin.

Was bislang in Deutschland gilt

Das deutsche Lieferkettengesetz gilt bisher für Unternehmen mit mehr als 3000 Beschäftigten. Laut Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) sind davon rund 900 Unternehmen betroffen. Ab 2024 greift es für Firmen mit mehr als 1000 Mitarbeitern. Betroffene Firmen müssen auch unter den deutschen Vorgaben unter anderem analysieren, wie groß das Risiko ist, dass sie von Menschenrechtsverstößen wie Zwangsarbeit profitieren. Wenn sie Hinweise auf Verstöße haben, müssen sie Maßnahmen ergreifen, «um diese Verletzung zu verhindern, zu beenden oder das Ausmaß der Verletzung zu minimieren», heißt es im Gesetz.

Kontrolliert werden die Vorgaben vom Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle. Es geht auch eingereichten Beschwerden nach. Stellt das Bundesamt Versäumnisse oder Verstöße fest, kann es Bußgelder verhängen. Unternehmen, die sich nicht an die Regeln gehalten haben, können auch von öffentlichen Aufträgen ausgeschlossen werden.

Knapp 80 Millionen Minderjährige leiden unter Kinderarbeit

BMZ-Angaben zufolge arbeiten weltweit knapp 80 Millionen Kinder unter ausbeuterischen Bedingungen in Textilfabriken, Steinbrüchen oder auf Kaffeeplantagen. «Auch für unsere Produkte», so das Ministerium. Laut der Hilfsorganisation Terre des Hommes können zahlreiche Produkte von Kinderarbeit betroffen sein. Dazu zählen etwa Blumen, Kleidung, Computer, Tabak, Feuerwerk, Fußbälle, Kosmetik oder Lebensmittel.

Von Marek Majewsky, dpa