Wegen unerlaubter Werbeanrufe haben sich deutlich mehr Bürger als zuvor bei der Bundesnetzagentur beschwert.
Die Zahl solcher kritischer Wortmeldungen liege in den ersten vier Monaten dieses Jahres bei rund 30.000 und damit um 12.000 höher als im Vorjahreszeitraum, teilte die Bundesnetzagentur am Mittwoch in Bonn mit. Werbeanrufe sind nur erlaubt, wenn der Angerufene vorher eingewilligt hat. Behördenchef Jochen Homann betonte, dass die Dunkelziffer hierbei hoch sei. «Die Zahlen werden in Wahrheit also erheblich höher sein als das, was wir registrieren.»
Auf einen Grund für den Anstieg wollte er sich nicht festlegen. Auf die Frage, ob der Anstieg auch an der Corona-Pandemie liegen könnte, schließlich sind viele Menschen seit März 2020 im Homeoffice und daher daheim besser erreichbar, sagte Homann: «Das mag so sein, das vermag ich nicht zu beurteilen.» Teilweise könnte es auch daran gelegen haben, dass die Beschwerdemöglichkeit inzwischen bekannter geworden sei und sich daher mehr Betroffene als zuvor meldeten.
Allerdings ist der Anstieg sehr deutlich. Vergleicht man die Vorjahre miteinander, so sieht die Entwicklung anders aus: 2018 waren es 62 200 Beschwerden wegen unerlaubter Telefonwerbung, 2019 sank die Zahl auf 57 700 Beschwerden, 2020 stieg diese Zahl wiederum auf 63 300 – der letzte Jahreswert war so hoch wie noch nie.
Für Ärger sorgen besonders Anrufe, in denen Versicherungen, Finanzprodukte und Energieverträge angeboten werden. Die Zahl der Beschwerden zu Anrufen über Telekommunikationsdienstleistungen nahm hingegen ab, nachdem die Behörde diesen Bereich zu einem Verfolgungsschwerpunkt gemacht hatte.
Als Folge der Beschwerden leitete die Bundesbehörde im vergangenen Jahr Ermittlungsverfahren gegen zahlreiche Unternehmen ein und erließ 17 Bußgeldbescheide, denen oftmals mehr als 1000 Verbraucherbeschwerden zugrunde lagen. Die Netzagentur verdonnerte die Firmen zur Zahlung von insgesamt 1,35 Millionen Euro und damit etwa so viel wie ein Jahr zuvor.
In dem am Mittwoch publizierten Jahresbericht der Bundesnetzagentur beschreiben die Autoren die Anrufe als «ein erhebliches Problem […], das in vielfältiger Form zur Belästigung und Verärgerung
zahlreicher Verbraucherinnen und Verbraucher führt». Die Angerufenen würden «mit oftmals professionell geschulter Methode in telefonische Werbegespräche verwickelt, die das Ziel verfolgen, bestimmte Produkte oder Dienstleistungen zu verkaufen, obwohl der Anruf weder erwünscht noch erlaubt wurde».
Dietlinde Bleh vom Verbraucherzentrale Bundesverband wertete die Zahlen als Beleg, dass die Bundesregierung Verbraucherinnen und Verbraucher besser vor unerlaubten Werbeanrufen schützen müsse. «Solche Anrufe sind nicht nur lästig, sie führen auch immer wieder zu ungewollten Verträgen und verursachen dadurch unnötige Kosten.»
Tatsächlich ist ein Bundesgesetz für faire Verbraucherverträge schon in der Mache, hierdurch könnte das Problem gemindert werden: Das Gesetz sieht vor, dass telefonisch abgeschlossene Strom- und Gasverträge schriftlich bestätigt werden müssen. Aus Sicht von Verbraucherschützerin Bleh greift das zu kurz, «denn auch in anderen Branchen werden Verbrauchern telefonisch Verträge untergeschoben». Sie fordert die Einführung einer «allgemeinen Bestätigungslösung für alle telefonisch geschlossenen Dauerschuldverhältnisse».
Zudem sollen die Firmen laut Gesetzentwurf verpflichtet werden, die Einwilligung der Verbraucher in Telefonwerbung zu dokumentieren. Dadurch könnte die Bundesnetzagentur besser prüfen, ob die Verbraucher der telefonischen Werbung wirklich zugestimmt hatten. Bundesnetzagentur-Chef Homann sieht das Gesetz sehr positiv: «Ich glaube, das wird dem einen oder anderen Missbrauch in diesem Bereich einen Riegel vorschieben.»
Solche Einschätzungen gibt es auch im Bundestag. Der CDU-Abgeordnete Sebastian Steineke sagte, mit dem Gesetz reagiere man auf die hohe Zahl von Verbraucherbeschwerden bei der Netzagentur. «Mit dem Gesetz für faire Verbraucherverträge gehen wir konsequent gegen Kostenfallen, auch am Telefon, vor.» Insbesondere bei betrugsanfälligen Tatbeständen wie den Energielieferverträge wird nach seiner Darstellung aller Voraussicht nach verhindert werden, dass es weiter zu unerlaubter Telefonwerbung kommen werde.
Sebastian Fechner von der SPD wertete das Gesetz als Fortschritt. Bedauerlich sei aber, dass CDU/CSU die von der SPD gewollte allgemeine Regelung zur schriftlichen Bestätigung für alle Dauerschuldverhältnisse «zum Schaden der Verbraucher» abgelehnt habe.
Oppositionspolitiker warfen der Regierung Versäumnisse vor. «Unerlaubte Telefonanrufe sind offensichtlich ein Problem, welches die Bundesregierung und die Bundesnetzagentur unterschätzt haben», sagte der FDP-Bundestagsabgeordnete Reinhard Houben. «Die Unart, Privatpersonen ungebeten zu Hause anzurufen, nimmt überhand.» Eine Regelung, um das zu verhindern, sei längst überfällig.
Nach Einschätzung des FDP-Politikers liegt der unlängst registrierte Beschwerdeanstieg zumindest teilweise an der Corona-Pandemie samt Homeoffice. Außerdem könnte es ein Grund sein, dass der Haustürverkauf in Pandemiezeiten nicht mehr funktioniere. Vermutlich hätten manche Vertriebler daher auf das Telefon umgesattelt. Houben ist Mitglied des Beirats der Bundesnetzagentur.