Seit mehr als zehn Jahren leben die Menschen in Stuttgart mit einer Mega-Baustelle mitten in ihrer Stadt. Dort, am Hauptbahnhof, baut die Bahn einen neuen Tiefbahnhof, besser bekannt als Stuttgart 21. Der sollte eigentlich Ende 2025 den bisherigen Kopfbahnhof ersetzen.
Die Deutsche Bahn verschiebt die Inbetriebnahme des Projektes Stuttgart 21 allerdings auf Dezember 2026. Das teilte der Konzern nach einer Sitzung mit den Projektpartnern in Stuttgart mit.
Hier die wichtigsten Fragen und Antworten rund um das Milliardenprojekt Stuttgart 21:
Was wird in Stuttgart genau gebaut?
Das Projekt Stuttgart 21 steht nicht nur für den Bau des neuen Hauptbahnhofs in der Landeshauptstadt, sondern für die komplette Neuordnung des Bahnknotens Stuttgart. Gebaut werden neue Bahnhöfe – etwa ein neuer Fernbahnhof am Flughafen -, Dutzende Kilometer Schienenwege und Tunnelröhren, Durchlässe sowie Brücken. Das Bahnprojekt Stuttgart-Ulm schließt neben Stuttgart 21 auch den Neubau der bereits 2022 eröffneten Schnellfahrstrecke Wendlingen-Ulm ein. Herzstück von Stuttgart 21 ist der neue unterirdische Hauptbahnhof, der im Gegensatz zum bisherigen Kopfbahnhof ein Durchgangsbahnhof sein wird.
Woher kommt eigentlich der Name?
«Um ein häufiges Missverständnis auszuräumen: Die 21 bei Stuttgart 21 stand noch nie für ein Fertigstellungsjahr», teilte ein Bahnsprecher mit. Dagegen stehe die 21 im Projektnamen für das 21. Jahrhundert. Unter dem Namen «Bahnhof 21» seien in den 90er-Jahren verschiedene Projekte gestartet worden, mit denen Bahnknoten in ganz Deutschland fit für das 21. Jahrhundert gemacht werden sollten, erklärte der Sprecher. So seien etwa die Projekte «Neu-Ulm 21», «Saarbrücken 21» und «Lindau 21» umgesetzt worden.
Wann soll der Bahnhof fertig sein?
Das ist die Frage, die viele Pendlerinnen und Pendler bewegt. Bisher hatte die Bahn immer betont, am Inbetriebnahmetermin im Dezember 2025 festhalten zu wollen. Ob dieser auch wirklich gehalten werden kann, ist seit längerem fraglich. So hatte die Bahn im März mitgeteilt, dass der bestehende Stuttgarter Hauptbahnhof zumindest auch im Jahr 2026 in Betrieb bleibe. Aufgrund von großen Herausforderungen bei der Digitalisierung des Stuttgarter Bahnknotens wird der Fahrplan für das Jahr 2026 noch auf Basis der alten Infrastruktur mit dem bestehenden Kopfbahnhof erstellt. Eigentlich sollte der ab Ende 2025 nicht mehr genutzt werden.
Einem Bericht des «Spiegel» zufolge wird der Konzern den Partnern am Dienstag nun die Verschiebung der Inbetriebnahme des neuen Stuttgarter Hauptbahnhofs auf Dezember 2026 mitteilen. Das umstrittenste Bahnprojekt Deutschlands verzögere sich damit erneut um ein weiteres Jahr, meldete das Nachrichtenmagazin am Montag unter Berufung auf Quellen im Bahn-Konzern.
Wann sollte das Projekt eigentlich starten?
Bei der Unterzeichnung der Finanzierungsvereinbarung im Jahr 2009 sahen die Pläne laut Bahn eine Einweihung im Jahr 2019 vor. Seither hatte es immer wieder Verschiebungen der Inbetriebnahme gegeben.
Woher kommen die Probleme und Verzögerungen?
Als Gründe für die mehrmalige Verschiebung nach hinten nennt die Bahn mehrere Punkte: Klagen gegen das Projekt und geänderte Auflagen etwa beim Brandschutz. Weitere Faktoren für die Verzögerungen seien der «geologisch anspruchsvolle Untergrund im Stuttgarter Stadtgebiet» oder aufwendige Genehmigungsverfahren durch geänderte Gesetze beim Artenschutz. Kritiker des Projektes werfen der Bahn vor, die Probleme und Risiken bereits früh gewusst und Kosten sowie Bauzeit geschönt zu haben.
Was kostet das Projekt?
Die Bahn taxiert die Kosten für Stuttgart 21 derzeit auf rund elf Milliarden Euro und hat zusätzlich einen Puffer von 500 Millionen Euro eingeplant. In den vergangenen Jahren hatte es mehrfach deutliche Kostensteigerungen gegeben. In einem Finanzierungsvertrag aus dem Jahr 2009 ist die Verteilung von Kosten bis zu einer Höhe von gut 4,5 Milliarden Euro geregelt. Das Land sicherte damals eine Beteiligung in Höhe von 931 Millionen Euro zu, die Stadt Stuttgart gab 292 Millionen, der Flughafen beteiligte sich mit 227 Millionen, und der Verband Region Stuttgart sicherte 100 Millionen Euro zu.
Wer bezahlt die bisherigen Mehrkosten von mindestens 6,5 Milliarden Euro?
Einem Gerichtsurteil zufolge muss die Bahn die milliardenschweren Mehrkosten alleine tragen. Das Verwaltungsgericht Stuttgart hatte Anfang Mai die Klagen mehrerer Gesellschaften der Bahn gegen das Land Baden-Württemberg, die Stadt Stuttgart, den Verband Region Stuttgart und den Flughafen Stuttgart abgewiesen. Mit den Klagen wollte die DB erreichen, dass sich die Projektpartner finanziell an den Mehrkosten beteiligen. Ein Bahnsprecher hatte nach dem Urteil gesagt: «Wir werden die schriftliche Begründung ganz genau prüfen und dann entscheiden, ob wir Rechtsmittel einlegen.»
Welchen Vorteil bringt Stuttgart 21 den Reisenden?
Durch das Projekt verringern sich die Fahrzeiten teils deutlich. Laut Bahn brauchen Fahrgäste von Ulm nach Stuttgart künftig nur noch 27 statt bisher 56 Minuten – rund die Hälfte der eingesparten Reisezeit geht allerdings auf die Neubaustrecke zwischen Wendlingen und Ulm und nicht auf Stuttgart 21 zurück. Durch die Anbindung des Flughafens an den Fernverkehr verringert sich auch die Anfahrt für Fluggäste. Zudem verweist die Bahn darauf, dass der Durchgangsbahnhof in Stuttgart neue umsteigefreie Verbindungen im Regionalverkehr ermöglicht. Der neue Bahnhof habe zudem acht zu- und abführende Gleise, der bisherige Kopfbahnhof nur fünf. Dadurch könne der Bahnhof künftig deutlich mehr Zugverkehr abwickeln als bisher.
Das bezweifeln die Kritiker des Projektes. «Es entsteht ein großer Verkehrsschaden für die ganze Region und das ganze Land durch diesen lächerlich kleinen Bahnhof», kritisierte Martin Poguntke, Sprecher des Aktionsbündnisses gegen Stuttgart 21. Die Projektgegner werfen der Bahn vor, bei der Berechnung der Leistungsfähigkeit des Bahnhofs unrealistische Annahmen zugrunde gelegt zu haben. So seien etwa beim Stresstest, der die Leistungsfähigkeit des neuen Bahnhofs nachweisen sollte, sehr kurze Haltezeiten angenommen worden. «Nachmittags um drei ist ein Zug schnell geleert. Aber im Berufsverkehr lassen sich diese Haltezeiten nicht realisieren», sagte Poguntke.