Der Glyphosat-Rechtsstreit von Bayer in den USA geht nach einer Gerichtsschlappe in eine neue Runde.
Nachdem der zuständige Richter einem wichtigen Puzzlestück erneut eine Absage erteilt hat, versucht der Agarchemie- und Pharmakonzern das Risiko künftiger Klagen nun auf einem anderen Weg zu handhaben. «Die Entscheidung macht es unmöglich, den vorgeschlagenen nationalen Lösungsmechanismus unter der Aufsicht dieses Gerichts weiterzuentwickeln», hieß es dazu von Bayer in der Nacht auf Donnerstag. Mit einem Fünf-Punkte-Plan will Konzernchef Werner Baumann die Sache nun endlich in den Griff bekommen.
Der zuständige Richter Vince Chhabria hatte am Mittwoch einen Antrag zum Umgang mit künftigen Klagen abgelehnt. Der angestrebte Kompromiss für insgesamt zwei Milliarden US-Dollar (rund 1,6 Mrd Euro) hätte einen Schlussstrich unter das rechtliche Glyphosat-Debakel ziehen sollen. Der nun geplatzte Deal war Teil eines Gesamtpakets von mehr als elf Milliarden US-Dollar, in dessen Rahmen Bayer schon viele bestehende Klagen beigelegt hat.
Chhabria monierte, dass der Lösungsvorschlag für die Nutzer des glyphosathaltigen Unkrautvernichters Roundup unangemessen sei, die derzeit noch nicht an einem Non-Hodgkin-Lymphom – also einer Krebserkrankung des lymphatischen Systems – leiden. Für den Analysten Richard Vosser von der Bank JPMorgan kommt die Ablehnung nicht sehr überraschend, wenngleich unerwartet schnell. So habe der Richter während einer Anhörung in der vergangenen Woche zwar seine Unzufriedenheit zum Ausdruck gebracht, aber auch signalisiert, Bayer Zeit für eine Lösung einzuräumen.
Bayer will vor allem rechtliche Risiken minimieren
Bayer will nach der erneuten Schlappe nun einen anderen, eigenen Weg beschreiten. So lasse der Beschluss von Chhabria «keinen anderen Schluss zu, als dass das Gericht den Lösungsmechanismus nicht ohne weitere erhebliche Änderungen genehmigen wird», sagte Konzernchef Werner Baumann am Donnerstag bei einer Telefonkonferenz mit Analysten und Journalisten. «Diese Änderungen sind nicht im Interesse von Bayer.» Am geplanten Kostenrahmen von zwei Milliarden Dollar soll sich aber erst einmal nichts ändern. Die entsprechenden Rückstellungen bleiben in ihrer Höhe bestehen.
Mit den nun vorgestellten Maßnahmen will das Management die Risiken durch mögliche weitere Klagen eindämmen. Bayer betonte dabei, es gehe allein um die Minimierung von Rechtsrisiken. Bedenken in Bezug auf die Sicherheit der Produkte gebe es weiterhin nicht.
Bayer plant nun eine Internetseite mit wissenschaftlichen Studien zu Glyphosat-basierten Produkten und will – mit Genehmigung der US-Umweltbehörde EPA – einen entsprechenden Hinweis auf Roundup-Produkten anbringen. Gleichzeitig erwägen die Leverkusener, solche Produkte nicht länger an US-Privatkunden zu verkaufen, «da die ganz überwiegende Mehrheit der Kläger (…) behauptet, Roundup-Produkte für Privatzwecke verwendet zu haben». Stattdessen sollen Alternativen angeboten werden. Im vergangenen Jahr machte Bayer mit Verkäufen des glyphosathaltigen Roundup-Produkts an Privatleute einen Umsatz von umgerechnet 300 Millionen Euro. Das viel größere Geschäft etwa mit Landwirten wäre davon nicht betroffen.
Auch könnte sich das Vorgehen des Konzerns bei bereits vorliegenden Klagen ändern, nachdem er inzwischen rund 96.000 Fälle im Rahmen des Mitte 2020 vorgestellten umfassenden Vergleichs endgültig beigelegt hat. Grundsätzlich solle sich auch bei den ausstehenden Klagen gütlich geeinigt werden, doch könne regelmäßig geprüft werden, «ob dieser Ansatz noch im besten Interesse des Unternehmens ist», hieß es von Bayer.
Anleger überzeugte das alles nicht. Der Aktienkurs knickte am Donnerstagvormittag um gut vier Prozent auf 52,6 Euro ein. Vor der ersten Schlappe in einem Glyphosat-Prozess im Jahr 2018 hatte eine Bayer-Aktie noch gut 93 Euro gekostet.