Vier Monate vor der Bundestagswahl müssen sich Unternehmen jetzt doch auf eine Frauenquote für ihre Vorstände gefasst machen.
Union und SPD verständigten sich kurz vor der Sommerpause nach langem Ringen doch noch auf ein Gesetz für mehr Frauen in Führungspositionen. «Mit unserem Gesetz muss künftig ab vier Vorstandsmitgliedern mindestens eine Frau am Tisch sitzen», erläuterte Justizministerin Christine Lambrecht (SPD) am Freitag. Die Regelung soll für alle börsennotierten und paritätisch mitbestimmten Unternehmen mit mehr als 2000 Mitarbeitern gelten. Die Wirtschaft jedoch äußert Bedenken: Was, wenn man keine Kandidatinnen finde?
Quoten-Ankündigung wirkte bereits
Lambrecht kritisierte, derzeit gebe es in den Vorständen immer noch häufig «reine Männerclubs, die gern unter sich bleiben». Nach Angaben der Initiative «Frauen in die Aufsichtsräte» wären 66 Konzerne von der neuen Quote betroffen. 25 von ihnen hätten derzeit noch keine Frau im Vorstand, darunter auch die beiden Dax-30-Konzerne Heidelberg Cement und MTU. Heidelbergcement kündigte allerdings an, einen neuen Vorstandsposten für Nachhaltigkeit mit einer Frau zu besetzen. Seit der Ankündigung der Bundesregierung, eine Quote durchsetzen zu wollen, beriefen laut Fidar auch Adidas, Bayer, Eon, Infineon, Fielmann und Südzucker Frauen in ihre Vorstände.
Die neue Quote für Vorstände ergänzt eine Frauenquote für Aufsichtsräte, die bereits 2015 eingeführt wurde. Ab einer bestimmten Größe – in der Regel ab 2000 Beschäftigten – müssen mindestens 30 Prozent der Aufsichtsratsplätze mit Frauen besetzt werden. Diese Regelung habe bewiesen, dass Quoten wirken könnten, sagte Lambrecht. «Sie verändern nicht nur die Zusammensetzung der Führungsgremien, sondern sie wirken sich auf die gesamte Unternehmenskultur aus.»
Arbeitgeberverband: Freiheiten eingeschränkt
Die Quote auch für Vorstände sorgt bei den Unternehmen aber für Kopfschütteln. Der Industrieverband BDI bezeichnete sie als Herausforderung, der Arbeitgeberverband BDA erklärte, sie greife «in verfassungsrechtlich fragwürdiger Weise in das Unternehmensgefüge ein». «Wenn entsprechende Kandidaten oder Kandidatinnen nicht vorhanden sind oder nicht bereit, eine entsprechende Position zu übernehmen, so kann eine gesellschaftlich und vor allem von den Unternehmen gewünschte Entwicklung nicht per Gesetz erzwungen werden», betonte der BDA.
Das Kabinett hatte den Entwurf für die Quote bereits im Januar verabschiedet, dann konnten sich die Regierungsfraktionen im Bundestag aber über Monate nicht einigen. Nach Angaben der Union beinhaltet der Kompromiss nun eine längere Übergangsfrist für die Unternehmen: Sie haben ein Jahr Zeit für die Kandidatinnenauswahl. Außerdem wurden Ausnahmeregeln für mittelständische Krankenkassen verabredet.
Familienvereinbarkeit mitgeplant
«Wir wollen mehr Frauen in den Chefetagen: als hoch qualifizierte Führungspersönlichkeiten in gemischten Führungsteams und als Rollenvorbilder für die junge Generation», sagte Unionsfraktionsvize Nadine Schön. Künftig sollten weibliche Vorstandsmitglieder auch einen Anspruch auf Mutterschutz entsprechend der gesetzlichen Fristen haben. Auszeiten bis zu drei Monaten für Elternzeit oder die Pflege von Angehörigen dürften allen Vorständen nur wegen wichtiger unternehmerischer Interessen verweigert werden.
Das neue Gesetz soll noch im Juni im Bundestag verabschiedet werden. «Das ist ein Meilenstein für die Frauen in Deutschland und bietet gleichzeitig eine große Chance sowohl für die Gesellschaft als auch für die Unternehmen selbst», betonte Lambrecht. SPD-Vize Klara Geywitz betonte: «Mehr Frauen in Führungspositionen sind ein Gewinn für die Wirtschaft, keine Belastung.»
Nicht alle sind zufrieden
Die Hartnäckigkeit ihrer Partei habe sich bezahlt gemacht, erklärte SPD-Fraktionsvize Katja Mast: «Die erste Quote für die Vorstände der Wirtschaft kommt. Das ist ein historischer Durchbruch.» Mehr Frauen in den Chefetagen verbesserten die Unternehmenskultur, erhöhten die Chancen von Frauen auf allen Ebenen und machten Unternehmen erfolgreicher. Davon profitiere auch die Wirtschaft.
Die Grünen dagegen kritisierten, übrig bleibe nach dem Kompromiss nur ein «Quötchen». «Die Botschaft des novellierten Führungspositionengesetzes bleibt: Frauen dürfen mitbestimmen, aber nur ein bisschen.» Um die «kritische Masse» zu erreichen, sei ein Frauenanteil von einem Drittel oder mehr auch in den Vorständen nötig.
Gewerkschaften: Ziel noch nicht erreicht
Der Deutsche Gewerkschaftsbund begrüßte die Einigung, betonte aber, man sei damit noch längst nicht am Ziel. «Als nächstes müssen deutlich mehr Unternehmen von Mindestbeteiligung im Vorstand und Geschlechterquote im Aufsichtsrat erfasst werden», forderte die stellvertretende Vorsitzende Elke Hannack. Die zweite Vorsitzende der Gewerkschaft IG Metall, Christiane Benner, bezeichnete die Einigung als kleinen, aber wichtigen Schritt. «Damit hat sich die Vernunft durchgesetzt, denn: Quoten wirken», sagte sie. Ohne gehe es derzeit einfach nicht. Bedauerlich sei aber, dass das Gesetz nicht in allen Unternehmen gelte. «Künftige Koalitionen müssen feste Quoten deutlich ausweiten», forderte sie.
Für Unternehmen mit einer Mehrheitsbeteiligung des Bundes sieht das neue Gesetz schon jetzt noch strengere Regeln vor: Hier soll bereits bei mehr als zwei Mitgliedern in der Geschäftsführung mindestens eine Frau sein. Außerdem müssen Firmen künftig speziell begründen, wenn sie den Vorstand, die beiden obersten Führungsebenen unterhalb des Vorstands und den Aufsichtsrat ohne Frauen planen.