Große Unternehmen in Deutschland müssen künftig bei der Besetzung von Posten der höchsten Management-Ebene Frauen stärker berücksichtigen. Der Bundestag hat am Freitag das «zweite Führungspositionen-Gesetz» beschlossen.
Das Vorhaben der großen Koalition sieht vor, dass in börsennotierten und paritätisch mitbestimmten Unternehmen mit mehr als 2000 Beschäftigten und mehr als drei Vorständen künftig mindestens eine Frau im Vorstand sitzen muss.
Bei Neubesetzungen der Posten muss darauf Rücksicht genommen werden. «Eine Bestellung eines Vorstandsmitglieds unter Verstoß gegen dieses Beteiligungsgebot ist nichtig», heißt es im Gesetz. «Das ist ein ganz wichtiges Signal an Frauen: Euch steht alles offen», sagte Bundesfamilienministerin Christine Lambrecht (SPD) in der Debatte. AfD und FDP stimmten gegen das Gesetz, Linke und Grüne enthielten sich.
Die AfD sprach von «feministischer Planwirtschaft». Frauenquoten produzierten Quotenfrauen, sagte die Abgeordnete Mariana Harder-Kühnel. Linken und Grünen gehen die Pläne dagegen nicht weit genug. Sie beträfen bundesweit nur ein paar Dutzend Vorstände, sagte die Linken-Abgeordnete Doris Achelwilm. Die Grünen-Politikerin Ulle Schauws bemängelte, dass es keine Frauenquote gebe, sondern lediglich die Mindestvorgabe, dass der Vorstand mit einer Frau besetzt sein müsse, egal, wie groß der Vorstand sei.
Mit dem Gesetz ändern sich auch für andere börsennotierte oder mitbestimmte Unternehmen, die nicht unter die Mindestvorgabe fallen, die Regeln: Sie sollen künftig begründen müssen, wenn sie für ihren Vorstand ohne Frauen planen – wenn sie also eine «Zielgröße Null» in ihren Berichten angeben. Geschieht das nicht, drohen Bußgelder. Die Berichtspflichten für Unternehmen werden entsprechend verschärft.
Die Wirtschaft hatte das gesamte Vorhaben als Eingriff in das Unternehmensgefüge kritisiert. Arbeitgeber geben zu bedenken, dass eine gesellschaftlich und auch von den Unternehmen erwünschte Entwicklung nicht per Gesetz erzwungen werden könne, wenn entsprechende Kandidaten oder Kandidatinnen nicht vorhanden oder nicht bereit seien, eine entsprechende Position zu übernehmen.
Nach Angaben der Organisation Fidar (Frauen in die Aufsichtsräte), die sich seit Jahren für das Thema einsetzt und die Entwicklung der Besetzung von Aufsichtsrats- und Vorstandsposten ständig verfolgt, fallen 66 börsennotierte und paritätisch mitbestimmte Unternehmen unter die neuen Vorgabe für einen Mindestanteil von Frauen im Vorstand. 24 davon haben demnach bisher keine Frau in der obersten Management-Etage.
Es werde aber bereits reagiert: Seit Bekanntwerden der Gesetzespläne hätten sieben große Unternehmen weibliche Vorstandsmitglieder berufen, heißt es von Fidar. Genannt werden Adidas, Bayer, Eon, Fielmann, Infineon, Knorr-Bremse und Südzucker.
Die neuen Regeln für Vorstände ergänzen die bereits bestehenden Vorgaben für Aufsichtsräte. Mit dem «ersten Führungspositionen-Gesetz» von 2015 wurden Firmen ab einer bestimmten Größe – in der Regel ab 2000 Beschäftigten – verpflichtet, frei werdende Posten in dem Kontrollgremium mit Frauen neu zu besetzen, bis mindestens ein Anteil von 30 Prozent erreicht ist. Dort wo diese Quote gilt, liegt der Frauenanteil inzwischen bei mehr als 35 Prozent.
Um die Teilhabe von Frauen an Führungspositionen insgesamt zu stärken, brauche es Vorbilder – auch im Vorstand, heißt es in der Gesetzesbegründung. «Es bedarf Frauen an den Schaltstellen des Unternehmens, um eine Breitenwirkung zu erzielen und
jungen Frauen Entwicklungsmöglichkeiten aufzuzeigen.» Mehr Frauen in den Vorstandsetagen würden mehr Frauen auf allen Führungsebenen der Unternehmen nach sich ziehen. Nach dem Bundestagsbeschluss muss das Gesetz nun noch durch den Bundesrat. Nach Angaben aus der SPD-Fraktion ist es dort nicht zustimmungspflichtig.