Tausende Autobesitzer fordern wegen des sogenannten Thermofensters in vielen Mercedes-Dieseln Schadenersatz von Daimler – nun wird heute am Bundesgerichtshof (BGH) das erste höchstrichterliche Urteil verkündet.
Schriftlich haben sich die Karlsruher Richterinnen und Richter vor einem halben Jahr aber schon einmal zu möglichen Ansprüchen geäußert. Damit ist der Ausgang absehbar: Die Erfolgsaussichten sind eher gering.
Das «Thermofenster», das auch von anderen Herstellern standardmäßig eingesetzt wurde, ist Teil der Motorsteuerung und reduziert die Abgasreinigung, wenn draußen kühlere Temperaturen herrschen. Die Kläger sehen darin eine unzulässige Abschalteinrichtung – wie bei VW.
Volkswagen setzte Betrugssoftware ein
Volkswagen hatte in Millionen Diesel-Autos heimlich eine Betrugssoftware eingesetzt, die auf dem Prüfstand verschleierte, dass zu viele Schadstoffe ausgestoßen wurden. Hier liegt für die BGH-Richter der Hauptunterschied zum Daimler-Thermofenster, wie der Senatsvorsitzende Stephan Seiters in der Verhandlung am 29. Juni noch einmal ausgeführt hatte: Dieses arbeite immer gleich, ob auf der Straße oder im Test. Der Einsatz der Technik allein sei aber nicht sittenwidrig, löse also auch keine Schadenersatz-Pflichten aus.
Der Kläger will erreichen, dass Daimler das Auto zurücknehmen und ihm – abzüglich der gefahrenen Kilometer – den Kaufpreis erstatten muss. Er hatte seine C-Klasse 2012 für rund 35.000 Euro neu gekauft. Das Oberlandesgericht (OLG) Koblenz hatte seine Klage zuletzt abgewiesen. Mit Blick auf das Thermofenster dürfte der BGH dies bestätigen.
Trotzdem zeichnet sich ab, dass Seiters‘ Senat den Fall noch einmal nach Koblenz zurückverweisen dürfte. Denn der Kläger hatte Daimler auch noch die Verwendung zahlreicher anderer Abschalteinrichtungen vorgeworfen, und dem waren die OLG-Richter nicht nachgegangen. Dabei geht es in erste Linie um eine angebliche Manipulation des Kühlmittelsystems, um die Stickoxid-Werte in Behördentests unter das eigentliche Niveau im normalen Straßenverkehr zu drücken.
50.000 Autos betroffen
Wegen solcher und anderer Vorwürfe bereiten die Verbraucherzentralen gerade eine Musterfeststellungsklage gegen den Stuttgarter Autobauer vor. Sie wollen gerichtlich feststellen lassen, dass Daimler neben dem Thermofenster weitere Vorrichtungen eingesetzt habe, die tatsächlich die Behörden hinters Licht führen sollten.
Dabei geht es um deutschlandweit knapp 50.000 Autos der Sportgeländewagen-Baureihen GLC und GLK mit dem Motortyp OM 651, für die das Kraftfahrt-Bundesamt Rückrufe angeordnet hatte. Die C-Klasse des Klägers hat zwar auch so einen Motor, gehört aber nicht zu den Modellen, auf die sich die Musterklage beziehen soll. Sie war auch nicht von einem amtlichen Rückruf betroffen. (Az. VI ZR 128/20)