Der Bundesgerichtshof (BGH) treibt am Dienstag die Aufarbeitung des VW-Dieselskandals voran. Nach Klagen von VW-Aktionären befassen sich die obersten Zivilrichterinnen und -richter in Karlsruhe erstmals mit der Rolle des Autozulieferers Bosch (Az. II ZR 152/20 u.a.).
Außerdem werden zwei Urteile zu der Frage verkündet, ob Diesel-Käufer auch dann Anspruch auf Schadenersatz von Volkswagen haben, wenn das Auto inzwischen weiterverkauft ist (12.00 Uhr, Az. VI ZR 533/20 u.a.).
Bosch hatte Volkswagen die Motorsteuerungssoftware geliefert, die bei der Manipulation der Abgaswerte zum Einsatz kam. Der weltgrößte Autozulieferer hatte deshalb eine Geldbuße von 90 Millionen Euro zahlen müssen wegen fahrlässiger Verletzung der Aufsichtspflicht. Gegen einzelne Mitarbeiter gab es auch strafrechtliche Ermittlungen.
Viele Anleger hatten Verluste gemacht, als VW-Aktien bei Auffliegen des Betrugs im September 2015 massiv an Wert verloren. Sie werfen Volkswagen vor, den Kapitalmarkt nicht rechtzeitig über die Risiken informiert zu haben. Am Oberlandesgericht Braunschweig läuft deshalb seit September 2018 ein milliardenschweres Musterverfahren.
Die neun Aktionärsklagen, um die es in Karlsruhe geht, richten sich hingegen gegen Bosch, wegen angeblicher Beihilfe. In dem einen Fall beispielsweise hatten die Kläger Ende 2013 mehr als 12.200 Euro in Vorzugsaktien von VW investiert. Am 21. September 2015 bekamen sie dafür nur noch knapp 8500 Euro. Für den Verlust machen sie Bosch mitverantwortlich und verlangen rund 3700 Euro Schadenersatz.
Die Stuttgarter Gerichte hatten sämtliche Klagen abgewiesen. Dabei ließen sie offen, ob Volkswagen ein Kapitalmarktdelikt begangen hat. Bosch war nach ihrer Auffassung auf jeden Fall nicht in einem Maße verstrickt, das den Vorwurf der Beihilfe rechtfertigen würde. Das letzte Wort hat nun der BGH. Ob es schon ein Urteil gibt, ist offen.
Die Schadenersatz-Klagen der Autokäufer wiederum richten sich gegen VW als Hersteller. Nach einem Karlsruher Grundsatz-Urteil aus dem Mai 2020 haben bereits Zehntausende Betroffene Geld zurückbekommen. Dagegen nimmt sich die Zahl der noch offenen Fälle, in denen das Auto weiterverkauft wurde, eher gering aus. Laut VW sind es rund 1000.
In dem einen Fall, der jetzt entschieden wird, hatte die Klägerin ihren VW mit dem Skandalmotor EA189 im laufenden Verfahren für rund 4500 Euro verkauft. VW ist der Ansicht, dass die Sache damit erledigt ist – die Frau habe einen marktgerechten Preis erzielt. Der andere Kläger hatte seinen VW bei einem Audi-Vertragshändler in Zahlung gegeben und zusätzlich eine «Wechselprämie» von 6000 Euro bekommen. Die Frage ist, wie sich das auf möglichen Schadenersatz auswirkt.