Wer in diesen Tagen aufmerksam durch die C&A-Filiale in Hamburg-Altona, das Karstadt-Warenhaus am Berliner Hermannplatz oder das Breuninger-Modehaus in Karlsruhe bummelt, kann eine überraschende Entdeckung machen.
Neben den Kleiderständern und Regalen mit nagelneuen Kollektionen werden auch gebrauchte Textilien verkauft. Die Secondhand-Welle hat auch die Kaufhäuser erreicht.
C&A hat in seiner Filialen in Hamburg-Altona Mitte Juni Platz für einen Pop-Up-Store von Carou geschaffen, einem 2015 gegründeten Online-Anbieter für Secondhand-Kleidung. Die Kooperation sei Teil der Bemühungen von C&A um mehr Nachhaltigkeit und werde von den Kunden «sehr gut angenommen», betonte eine C&A-Sprecherin. In Frankreich testet der Modehändler mit oC&Az außerdem bereits eine Plattform für den Verkauf gebrauchter C&A-Artikel zwischen Privatpersonen.
Doch ist C&A nicht allein. Der Stuttgarter Modehändler Breuninger, der mit seine Filialen zwischen Freiburg und Düsseldorf im gehobenen Marktsegment unterwegs ist, bietet schon seit einiger Zeit immer wieder in Pop-up-Stores in einigen seiner Läden Gebrauchttextilien an. «Wir finden, dass es ein hochspannendes Thema ist, weil es den Zeitgeist trifft», heißt es dort.
Breuninger setzt auf eine Zusammenarbeit mit dem Secondhand-Spezialisten Vite EnVogue, der sich auf den Weiterverkauf gebrauchter Artikel von Edelmarken wie Chanel, Prada oder Gucci spezialisiert hat. Vor dem Weiterverkauf werden die Produkte geprüft und Plagiate aussortiert. Die Erweiterung des Sortiments kommt bei den Kunden offenbar gut an. Denn inzwischen denkt man bei Breuninger darüber nach, das Angebot in einigen Filialen dauerhaft einzuführen. Auch Galeria Karstadt Kaufhof hat im dritten Stock seiner Berliner Filiale am Hermannplatz Raum für einen «Re-Use-Store» geschaffen.
Ein Wunder ist der Boom der Gebrauchttextilien eigentlich nicht. Denn in der Corona-Krise haben Themen wie Nachhaltigkeit und Umweltschutz noch einmal einen zusätzlichen Schub bekommen. «Der Trend Secondhand-Kleidung zieht immer größere Kreise und hat das Potenzial, in den kommenden zehn Jahren einen Marktanteil von 20 Prozent auf sich zu vereinen», heißt es in der Studie «Fashion 2030 – Sehen, was morgen Mode ist» der Unternehmensberatung KPMG und des Kölner Handelsforschungsinstituts EHI. Gut ein Drittel der Verbraucher in Deutschland (34 Prozent) kauft der Studie zufolge schon gebrauchte Kleidung. Weitere 28 Prozent können es sich vorstellen.
Secondhand-Mode ist also en vogue. Gekauft wird die gebrauchte Ware bislang allerdings vor allem im Internet. Der Onlineshop Momox – nach eigenen Angaben Re-Commerce-Marktführer in Europa – steigerte seine Umsätze mit Mode aus zweiter Hand in Deutschland im vergangenen Jahr um 46 Prozent. Konkurrent Mädchenflohmarkt erwartet nach einem Bericht des Branchenfachblatts «Textilwirtschaft» in diesem Jahr sogar ein Plus von 80 Prozent.
Längst haben auch die großen Online-Modehändler wie Zalando, Otto und H&M das Geschäft für sich entdeckt. Zalando verkauft Gebrauchtes in seinem Online-Shop unter dem Titel «Pre-Owned». Das Angebot umfasst derzeit bereits über 130 000 Artikel. «Pre-Owned» (gebraucht) sei angesichts der Pläne von Zalando «zur ersten Anlaufstelle für Mode» zu werden, eine logische Ergänzung zum übrigen Angebot, begründete der Internethändler den Einstieg ins Geschäft mit Gebrauchttextilien.
Die Otto-Tochter About You verkauft die getragenen Textilien unter dem wohlklingenden Label «Second Love» (zweite Liebe). Der Fast-Fashion-Riese H+M geht einen etwas anderen Weg. Er hat sich die Mehrheit an der schwedischen Secondhand-Online-Plattform Sellpy gesichert. Seit dem vergangenen Jahr gibt es auch einen deutschsprachigen Ableger. Er wirbt für die Gebrauchtkleidung mit dem Slogan: «Die beste Art Emissionen zu reduzieren, besteht darin, vorhandene Kleidung und Dinge besser zu nutzen.»
Selbst der Luxusmode-Gigant Kering, zu dessen Fashion-Imperium Marken wie Gucci, Saint Laurent, Bottega Veneta und Brioni gehören, hat inzwischen das Secondhand-Geschäft für sich entdeckt. Er beteiligte sich im Frühjahr mit fünf Prozent an der auf Designermode spezialisierten Wiederverkaufsplattform Vestiaire Collective. «Luxus aus zweiter Hand ist heute ein echter und tief verwurzelter Trend, insbesondere bei jüngeren Kunden», begründete Kering-Chef Francois-Henri Pinault den Schritt. Schöner Nebeneffekt: Der Luxuskonzern hat so die Chance, potenzielle Kunden etwa unter Studenten langsam an sich heranzuziehen, die sich die exorbitanten Preise für die Neuware – noch – nicht leisten können.
An Nachschub für all die Secondhand-Angebote sollte es vorläufig nicht mangeln. Nach einer Studie des Wuppertal Instituts in Zusammenarbeit mit Ebay Kleinanzeigen hat die große Mehrheit der Verbraucher in Deutschland noch ungenutzte Produkte zuhause herumliegen. Immerhin 57 Prozent der Befragten gaben an, Kleidung, Schuhe und Accessoires zu besitzen, die sie seit mindestens zwölf Monaten nicht mehr getragen hätten.